: Aussiedler-Unterkunft in Brand gesteckt
■ Erneut rassistische Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte/ Täter von Ketzin geständig/ Erste Verfahren gegen Rostocker Angeklagte in der nächsten Woche/ Anschläge für das Wochenende befürchtet
Berlin (taz/dpa/AP) — Die Welle rassistisch motivierter Gewalttaten gegen Flüchtlinge ist ungebrochen. Auch in der Nacht zum Freitag kam es in mehreren deutschen Städten zu Anschlägen auf Ausländer. Für das Wochenende wurden weitere Attentate befürchtet.
Unbekannte haben in der Nacht zum Freitag einen Brandanschlag auf eine Aussiedlerunterkunft in Leverkusen verübt. Menschen kamen nicht zu Schaden. Wie die Kölner Polizei berichtete, warfen die Täter Molotow-Cocktails auf Wohncontainer, in denen Aussiedler aus Polen und der früheren Sowjetunion untergebracht sind. Ein Brandsatz zerschlug die Scheibe eines leeren Containers, der ausbrannte. Der zweite Molotow-Cocktail landete zwischen zwei Wohnungen, wo er von Aussiedlern gelöscht wurde.
40 bis 60 Rechtsradikale versuchten, das zentrale brandenburgische Aufnahmelager für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt zu stürmen. Sie lieferten sich eine zweistündige Schlacht mit 200 Polizisten. Die Randalierer bewarfen Beamte des Bundesgrenzschutzes gegen Mitternacht in der Nähe des Eisenhüttenstädter Aufnahmelagers mit zertrümmerten Gehwegplatten. Drei Personen wurden festgenommen.
In Lübben verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf das dortige Asylbewerberheim. Die Heimleiterin konnte die Flammen unter Kontrolle bringen. Es gab keine Verletzten. Die Täter konnten entkommen. In Biesenthal nördlich von Berlin brannte eine unbewohnte Holzbaracke auf dem Gelände eines Asylbewerberheims nach einem Anschlag nieder. Auch hier wurden die Täter nicht gefaßt.
Gegen die beiden Brandstifter des Flüchtlingsheims in Ketzin wird die Staatsanwaltschaft Potsdam noch im Oktober Anklage wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung erheben. Unklar sei, ob die beiden 20jährigen noch nach dem Jugendstrafrecht angeklagt werden, sagte Oberstaatsanwalt Hans-Peter Menden am Freitag. Beide Täter sind geständig. Als Tatmotiv gaben sie an, daß ihnen Ausländer unangenehm seien. Die Berliner Polizei hat sieben Personen festgenommen, die für eine Serie von Brandanschlägen gegen Ausländer verantwortlich sein sollen. Zwei der Männer hätten zugegeben, im August und September zweimal versucht zu haben, ein von Vietnamesen bewohntes Ausländerheim im Bezirk Hohenschönhausen in Brand zu setzen. Eine Woche nach dem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim im pfälzischen Ilbesheim hat die Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen. Der 18jährige hat gestanden, einen Molotowcocktail in das Gebäude geschleudert zu haben.
Die ersten Gerichtsverhandlungen gegen jugendliche Randalierer von Rostock werden in der nächsten Woche geführt. Da es sich um Minderjährige handele, werde nicht öffentlich verhandelt, erklärte gestern der leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Neumann. Während der gewaltsamen Ausschreitungen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen waren insgesamt 290 Personen festgenommen worden. Es ergingen 32 Haftbefehle, darunter zwei wegen des Verdachts auf versuchten Mord.
Die Polizei sieht am Wochenende in weiten Teilen der neuen Bundesländer einer neuen Welle von Gewaltaktionen gegen Ausländer in Asylbewerberheimen entgegen. Hinweise auf mögliche Krawalle in einer Reihe von Städten und Gemeinden lagen bis zum Freitag nachmittag vor allem aus dem Land Brandenburg, aber auch aus Mecklenburg- Vorpommern und Sachsen-Anhalt vor. Die rechtsradikale „Deutsche Volksunion“ (DVU) hat für den heutigen Samstag eine Großveranstaltung im Land Brandenburg angekündigt. Im bayerischen Kelheim will heute die „Nationalistische Front“ eine Demonstration abhalten. klh
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