: Nur das Jenseits antwortet nicht
■ Die transkontinentale Fax-Connection in der Galerie Vorsetzen
in
der Galerie Vorsetzen
Augenblickliche Kommunikation zwischen Menschen aus drei Kontinenten, tausende Kilometer voneinander entfernt: Inzwischen eigentlich alltägliche Wirklichkeit, „Fax sei dank“. Eine dreikontinentale Fax-Connection der besonderen „Art“ haben Claus Böhmler, Professor für Freie Kunst an der Hamburger Hochschule für bildende Künste, Thomas Bremer aus New York und Dong-Jo Yoo aus Seoul zu Beginn des Jahres zele-
briert. Die Galerie Vorsetzen präsentiert jetzt ihre Faxdialoge.
„Lieber Claus, ich habe deinen vorletzten Fax weitergeleitet nach Korea. Bei mir hats funktioniert“, ist auf einem der zahlreich exponierten Faxpapiere zu lesen. Die „Faxline“ scheint also zu stehen, die Faxkonversation kann beginnen. Und die schlägt sprachlich wie bildnerisch Kapriolen. Da faxt Dong-Jo Yoo einen Subway-Plan von Seoul nach Hamburg und fragt seinerseits nach der U-Bahn Karte der Hansestadt. Was gerade so durch den Kopf schießt, unverfälscht, wird durch den Fernkopierer gejagt. Spontanität, die prompt, über Raum und Zeit hinweg, das andere Ende der Welt erreicht.
In dem regelrechten Faxfieber finden auch Blödeleien Platz. So die Wortspielerei unter dem Titel SUNFAX: „Sonne+Brennglas, Hitzespuren, Brandformen, Brandzeichen, Einen Brand, Brenn-Nessel, Brandlöcher, Brandwein, heißer Draht ...“
Die Fax-Connection, die von Februar bis Juni 1992 kommunizierte, zeigt anschaulich die Gleichzeitigkeit verschiedener Sichtweisen, bedingt durch ihre jeweiligen räumlichen Wirklichkeiten. Außerdem deuten die Faxexponate an, inwieweit moderne Kommunikationsmittel imstande sind, neue Realitäten jenseits von Raum und Zeit zu schaffen.
Offenbar nicht ganz ohne geistige Konfusion. Die Programme von Van Gogh TV auf der documenta 9 bestätigen es: Das auf 3sat laufende „interkommunikative Fernsehen der Zukunft“ zeigt täglich neu, welche kommunikativen Tücken im
1vermeintlich selbstverständlichen Umgang mit moderner Elektronik stecken. Dabei befindet sich der künstlerische Austausch mittels solcher Medien eher noch im Anfangsstadium; es erfordert noch viel Phantasie, der leblosen virtuellen Welt Leben einzuhauchen, eine gute Portion Respektlosigkeit zudem.
Denn trotz aller Möglichkeiten hat moderne Kommunikation ihre irdischen Grenzen. Dong-Jo Yoo nimmt sie auf die Schippe: Seine
1„Linie von Manzoni“, ein Endlosfax, steigt die Wand empor. An dessen Ende sind vier weiße Luftballons befestigt, die eine „Himmelfahrt“ andeuten. Aber alle Versuche, mit dem verstorbenen Künstler Manzoni Kontakt aufzunehmen, scheitern. Das Jenseits will nicht antworten.
Die dargestellte Auseinandersetzung mit einem Instrumentarium der Informationsgesellschaft -„Fax im Zeitalter der Simulation“ - erscheint lohnend, da die totale Ver-
1netzung vieler Lebensbereiche Prozesse ausgelöst hat, die noch gar nicht zu überschauen sind. Die Botschaft der Fax-Connection: Wache Phantasie statt medialer Ohnmacht. Damit am Ende nicht die Fehlermeldung „The stack is in the heap“, was frei übersetzt so viel heißt wie 'Das Ding ist abgestürzt', zur Kommunikationskonstante mutiert. Dierk Jensen
Galerie Vorsetzen, Seilerstr. Do. u. Fr. 16-19 Uhr, Sa. 11-15 Uhr, bis 10.10.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen