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US-Druck auf Nicaragua

■ Suspendierung der sandinistischen Polizeiführung wird die US-Rechte unter Jesse Helms nicht besänftigen

Managua (taz) —Der frühere sandinistische Präsident Nicaraguas, Daniel Ortega, hat seine bürgerliche Nachfolgerin Violeta Chamorro am Sonntag beschuldigt, sich dem politischen Druck der USA zu beugen. Anlaß der Kritik war die Entlassung des sandinistischen Polizeichefs Rene Vivas und elf weiterer hoher sandinistischer Polizeioffiziere am Samstag. Eine Gruppe rechtsgerichteter US-Parlamentarier mit dem ultrakonservativen Senator Jesse Helms an der Spitze hatte in letzter Zeit immer wieder Druck auf die nicaraguanische Regierung mit dem Ziel auszuüben versucht, Armee und Polizei von Sandinisten zu säubern. Im Mai hatte Helms die Suspendierung eines Hilfspakets an Nicaragua in Höhe von 104 Mio Dollar erreicht. In einem Bericht an den außenpolitischen Ausschuß des Senats empfiehlt jetzt Deborah De Moss, Assistentin von Jesse Helms, die teilweise Auszahlung der Hilfe nur nach Erfüllung einer Serie von Bedingungen.

Der Bericht verlangt unter anderem von Nicaragua eine komplette Justizreform, die Aufstockung des pluralistisch zusammengesetzten Obersten Gerichtshofs um weitere konservative Richter und eine umfassende Verfassungsreform. Die Überwachung dieses Reformprozesses und die Erneuerung der Führung von Polizei und Armee soll einer Kommission übertragen werden, der außer dem erzkonservativen Kardinal Obando y Bravo Vertreter der ehemaligen Contras und der contra- freundlichen „Menschenrechtsbüros“ angehören. Bei der Besetzung der Spitzenposten sollen schließlich auch Contra-Kommandanten berücksichtigt werden.

Dieser Forderung gegenüber hat Chamorro nun ein Stück weit nachgegeben. Dabei wurde diese Variante in den Übergangsprotokollen, die 1990 einen reibungslosen Machtwechsel garantierten, ausdrücklich ausgeschlossen. Laut De Moss hat jedoch dieser Machtwechsel nie stattgefunden. In ihrem Bericht sieht sie das „Land kontrolliert von General Humberto Ortega und der Sandinistischen Befreiungsfront, die die Regierung über den Präsidialminister Antonio Lacayo dominieren“. Die nicaraguanische Armee, die in zwei Jahren von 80.000 Mann auf 17.000 zurechtgestutzt wurde, sei die größte Zentralamerikas — zum Vergleich: El Salvadors Armee hat 60.000 Mann, Guatemalas 55.000, die von Honduras über 20.000.

Violeta Chamorro spielte vor einigen Tagen die Bedeutung der ausstehenden US-Hilfe herunter und meinte, sie werde sich „nicht aufhängen“, falls sie nicht käme. Doch höhere Steuern würden dem jetzt schon teuersten Land der Region nicht erspart bleiben. Die Anzeichen einer neuen Krise sind unübersehbar: Der Dollarkurs auf dem Schwarzmarkt klettert seit einigen Wochen beharrlich, und die Importeure schlagen vorsichtshalber schon mal ein paar Prozentchen auf ihre Waren drauf.

Ein von der sandinistischen Zeitung Barricada zitierter Kongreßexperte sieht den De-Moss-Bericht als Versuch der extremen Rechten, Präsident Bush unter Druck zu setzen, um in Nicaragua endlich die Contra- Freunde an die Macht zu bringen. Die Regierung kann wohl von Glück reden, daß Nicaragua diesmal in den USA kein Wahlkampfthema ist. Ralf Leonhard

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