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Profession ohne Tradition

■ 125 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen — Ausstellung in der Berlinischen Galerie

Eine typisch weibliche Kunst gibt es nicht!“, zieht Carola Muysers das Fazit ihrer Arbeit. Die projektleitende Kunsthistorikerin ist vor drei Jahren angetreten, um die Geschichte des Vereins der Berliner Künstlerinnen zu rekonstruieren und ein neues Archiv anzulegen. Mittlerweile ist das kleine Forschungsvorhaben zu einem großen Ausstellungsprojekt gediehen.

Anläßlich des Vereinsjubiläums ist ab 11.September 1992 in der Berlinischen Galerie im Martin-Gropius-Bau (Berlin) die „unmögliche Kunst von Frauen“ zu sehen. „Von Paris bis Moskau haben uns die Museen insgesamt 250 Werke von Bildenden Künstlerinnen zur Verfügungs gestellt“, berichtet Carola Muysers. „Unserer Suche nach Kunst von Frauen wurde oft skeptisch begegnet. Die Museen wollten entweder nicht in ihre Depots schauen oder die Stücke nicht restaurieren.“ Zweifel an der Qualität und Wichtigkeit der Werke von Künstlerinnen wurden geäußert.

Die Mühe der Forschung hat sich trotzdem gelohnt. Carola Muysers und ihr fünfköpfiges Team haben nicht nur herausgefunden, daß über 1.200 Graphikerinnen, Bildhauerinnen und Malerinnen seit 1867 in dem Verein organisiert waren, sondern in der Ausstellung können neben Arbeiten von Paula Modersohn-Becker oder Gabriele Münter, die zu den frühen Vertreterinnen des Expressionismus zählen, ebenso Werke von Lotte Laserstein, Karla Woisnitza oder Hannah Höch bewundert werden. An der Spitze der Dada-Bewegung in den zwanziger Jahren betrieb Hannah Höch ironisch-witzige Gesellschaftskritik. Karla Woisnitza, ist die diesjährige Preisträgerin des Marianne-Werefkin-Preises.

Zur Ausstellung erscheint ein Lexikon, in dem alle Künstlerinnen, aber auch Freunde und Förderer des Vereins nachschlagbar sind.

Der Verein war der erste Berufsverband Bildender Künstlerinnen im deutschsprachigen Raum, denen der Zugang zum Studium an der Kunstakademie erst 1919 gewährt wurde. Eine Kranken- wie Pensionskasse wurden organisiert, Stipendien vergeben. An der eigenen Zeichen- und Malschule erhielt Käthe Kollwitz ihren ersten Unterricht und unterrichtete später selbst dort. Alle zwei Jahre wurden Ausstellungen veranstaltet.

Finanziell trug sich ihr Verband durch öffentliche Gelder, Spenden und Erlöse aus Bildverkäufen. Der Verein war Vorbild für eine Reihe weiterer Versorgungseinrichtungen für Künstlerinnen in München, Düsseldorf und Breslau. Carola Muysers und ihre KollegInnen haben mittlerweile ein umfangreiches Archiv angelegt, das für Interessierte offen steht. Allein 4.000 Fotos von Werken der verschiedenen Künstlerinnen sind dort zugänglich. Wer mehr über die historischen, aber auch aktuellen Aspekte von Kunst von Frauen erfahren möchte, kann im 700 Seiten starken Katalog blättern.

In der Ausstellung soll die fortschreitende Professionalisierung Bildender Künstlerinnen vom ausgehenden 19.Jahrhundert bis heute sichtbar gemacht werden. Dabei werden die Vielfältigkeit der Arbeiten und die Impulse, die davon ausgingen, offengelegt. „Weder historische noch aktuelle Kunst von Frauen ist eine Marginalie“, betont Carola Muysers, „aber im Mittelpunkt unseres Blicks steht die Kunst selbst, nicht das Geschlecht der Künstlerin.“ Sabina Leichs

Ausstellung vom 11.September bis 1.November in der Berlinischen Galerie (Martin-Gropius- Bau), Stresemannstr.110, 1 Berlin 61; montags geschlossen.

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