: Weitere Proteste nach dem Massaker von Bisho
Nach dem Tod von 28 Demonstranten im südafrikanischen „Homeland“ Ciskei setzt der ANC die Belagerungsaktionen fort/ Abtritt des Herrschers der Ciskei gefordert, der vom militärischen Geheimdienst Südafrikas an der Macht gehalten wird ■ Aus Bisho Willi Germund
Etwa 2.000 Anhänger des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) haben auch gestern die Belagerung von Bisho, der Hauptstadt des südafrikanischen Homelands Ciskei, fortgesetzt. „Die Leute wollen Rache“, erklärte Chris Hani, der populäre Generalsekretär der Kommunistischen Partei (SACP) und bis Ende des letzten Jahres Chef von „Umkhonto we Sizwe“, dem bewaffneten Arm des ANC. Erzbischof Tutu besuchte gestern den Ort, an dem am Montag insgesamt 28 Menschen im Kugelhagel der Sicherheitskräfte der Ciskei starben und etwa 200 verletzt wurden. ANC-Präsident Nelson Mandela legte einen Kranz nieder.
Die Demonstranten, die laut Chris Hani ausharren wollen, bis Ciskeis Militärchef Oupa Qgozo geht, versammelten sich vor einer Straßensperre aus gepanzerten Fahrzeugen der südafrikanischen Polizei. Dahinter warten schwerbewaffnete Soldaten der Ciskei. Südafrika entsandte bereits am Montag 150 Soldaten nach Bisho. Offiziell, um Geschäfte — vorwiegend in Besitz weißer Südafrikaner — zu schützen. Tatsächlich sollen sie aber wohl Qgozo den Rücken stärken. Südafrikas Regierung sieht keinen Ausweg aus der Krise. Wie der ANC glaubt sie an die Domino-Theorie: Fällt ein Homeland-Diktator, stürzen auch die anderen. Verfassungsminister Roelf Meyer erklärte gestern lediglich: „Die Demonstration war überflüssig, die Homelands sollen ohnehin wieder nach Südafrika eingegliedert werden.“ Fünf der zehn Homeland- Chefs haben sich in der Vergangenheit mit Südafrikas Regierung verbündet. Sie erklären sich global zwar zu einer Wiedereingliederung bereit, wollen über eine weitgehende Regionalisierung Südafrikas aber möglichst lange in Amt und Würden bleiben können. Ciskeis Brigadier Qgozo und Bophuthatswanas Chef Lukas Mangope traten kürzlich sogar vor der UNO auf und verteidigten die Politik von Südafrikas weißer Minderheitsregierung. In ihren Homelands aber unterdrücken sie jede politische Opposition. In Bophuthatswana sind sogar die im übrigen Südafrika erlaubten Gewerkschaften verboten. Die zehn Homelands wurden von Südafrika Mitte der siebziger Jahre im Rahmen eines Plans der „großen Apartheid“ eingerichtet. Auf 13 Prozent des südafrikanischen Territoriums wurde per Gesetz die schwarze Bevölkerungsmehrheit zusammengepfercht, der Rest sollte den fünf Millionen Weißen gehören. Schwarze durften sich nur mit besonderen Pässen in Südafrika als Gastarbeiter aufhalten. Die Kunststaaten werden zu hundert Prozent aus südafrikanischen Haushaltsmitteln finanziert. Für jede Uniform, jedes Gewehr und jede Kugel kommen südafrikanische Steuerzahler auf. Die 1981 gebildete Ciskei gehört mit ihren knapp 950.000 nominellen Einwohnern zu den kleinsten Homelands. Wie die Bewohner der in der Nähe liegenden, 1976 gegründeten Transkei sind es vorwiegend Xhosas, denen von den Sicherheitskräften starke Sympathien zum ANC nachgesagt werden. Nelson Mandela gehört der gleichen Volksgruppe an.
Seit Brigadier Oupa Qgozo 1990 mit einem unblutigen Staatsstreich an die Macht kam, haben ihn Südafrikas Sicherheitskräfte erfolgreich an sich gebunden. „Ihm wurde gefälschtes Material vorgelegt, daß beweisen sollte, wie der ANC versuchte, ihn zu unterminieren“, erklärte Oberstleutnant Gert Hugo, bis Juli 1991 Geheimdienstchef der Ciskei, der taz. Eine Schlüsselfigur war der ehemalige südafrikanische Armeeoffizier Anton Nieuwoudt. Er trainierte früher im damaligem Südwest-Afrika (Namibia) Mitglieder der Inkatha-Bewegung im Anti-Guerilla-Kampf und stand lange Zeit auf der Lohnliste des Geheimdienstes der südafrikanischen Streitkräfte, der Military Intelligence.
Das gesamte Offizierkorps der Ciskei ist weiß. Gert Hugo: „Es gelang dem Geheimdienst der Armee, nahezu völlige Kontrolle über die Sicherheitskräfte der Ciskei zu gewinnen.“ Die Military Intelligence gilt als die Abteilung im Sicherheitsapparat Südafrikas, in der die stärksten Gegner von Präsident de Klerks Reformkurs versammelt sind.
So führte die Demonstration von Bisho zur Konfrontation zweier militanter Flügel: Auf der einen Seite südafrikanische Militärs, die es endlich wieder dem ANC zeigen wollten, auf der anderen Seite eine militante ANC-Gruppierung, die glaubt, mit Demonstrationen und Streiks mehr Erfolg zu haben als mit Verhandlungen. Das ANC-Präsidium hatte letzte Woche Proteste gegen die Chefs der fünf Homelands beschlossen, die sich auf die Seite der weißen Minderheitsregierung geschlagen haben. Doch ANC-Präsident Mandela wird diese Strategie jetzt wohl überdenken müssen. Denn Brigadier Qgozo bewies, daß zumindest ein Teil der Homeland-Chefs entschlossen ist, sich mit allen Mitteln gegen ihre Absetzung zu wehren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen