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Die nötigen Rituale

■ „Hand aufs Herz“ von Jacques Fansten

Wenn Erwachsene sich in Filmen mit Kindheit beschäftigen, regiert auf Leinwänden nicht selten hemmungslose Verklärung. Auf graubraune Nostalgie und metaphysische Bonmots aus weisen Kindermündern hat der französische Regisseur Jacques Fansten glücklicherweise verzichtet. „Hand aufs Herz“ („La fracture du myocarde“) ist ein unglaublich witziger, halbwegs realistischer (Kinder-)Film, der eigentlich nur im Fernsehen laufen sollte, aufgrund seines großen Erfolges jedoch die Kinos erreichte.

Irgendwo in der französischen Provinz eine Kleinstadt. Martin (Sylvain Copans) ist zwölf, als seine Mutter plötzlich tot auf dem Bett liegt. „Es muß etwas mit dem Herzen gewesen sein“, diagnostiziert Antoine (Olivier Montiege), Martins Freund. Was also tun, damit Martin nicht Vollwaise wird und ins Heim muß? Die Leiche hat unbemerkt zu verschwinden.

Wie entsorgen Kinder eine Tote? Am besten behandelt man die Leiche ganz normal, sorgt für einen Sarg, eine tiefe Grube und die nötigen Rituale. Acht Jungen und Mädchen in Sweatshirts, Turnschuhen und mit Rucksäcken halten zusammen und zetteln alles mögliche an, damit die Verstorbene den Weg alles Irdischen gehen kann. Acht Kinder und eine Leiche haben ein Geheimnis, verstricken sich in schräge Abenteuer und erinnern dabei wie aus weiter Ferne an Hitchcocks „Immer Ärger mit Harry“.

„Kinder entsorgen eine Tote“ scheint auf den ersten Blick kein Thema für einen Kinderfilm. Eine Leiche im Schlafzimmer bringt zumindest in unserer Kultur verordnete Schauder mit sich. In „Hand aufs Herz“ bleibt das Grauen jedoch aus. Unbefangen und tatkräftig geht es um die Tote, damit die sensiblen, schlagfertigen, einfallsreichen Racker beweisen, daß sie sich auch ohne die Erwachsenen durchs Leben wurschteln können. Und wenn die Kinder es der Leiche im Sarg — einem alten Uhrenkasten, der mit Alu- Folie ausgekleidet wird — gemütlich machen, wirkt das nicht makaber oder pietätlos, sondern wundersam rührend. Michaela Lechner

„Hand aufs Herz“. Regie: Jacques Fansten. Mit: Sylvain Copans, Olivier Montiege, Cecilia Rouaud u.a. Frankreich 1991, 105 Min.

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