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KOMMENTARAngst vor der Friedenslösung

■ Was tun in Genf angesichts des Fernbleibens der jugoslawischen Kriegsparteien?

Wie läßt sich der Stellenwert von Verhandlungen bewerten, ihre Bedeutung für die Beendigung eines Konfliktes? Nicht zuletzt daran, ob die Konfliktbeteiligten bei den Verhandlungen anwesend sind, und zwar durch Vertreter, die etwas zu verhandeln haben.

Gemessen daran war die erste Woche der Internationalen Konferenz über das ehemalige Jugoslawien ziemlich bedeutungslos. Trotz beinahe flehentlicher Einladungen der beiden Vorsitzenden, dem UNO-Sonderbeauftragten Cyrus Vance und EG-Vermittler Lord Owen erschien in Genf bislang kein Mitglied der Regierungen aus Belgrad, Zagreb und Sarajevo. Ebensowenig wie Vertreter der in Bosnien-Herzegovina kämpfenden Serben, Kroaten und Mosleme.

Die Motive für das Fernbleiben sind unterschiedlicher Natur: die bosnischen Serben, nach Ansicht aller neutralen Beobachter die Hauptverantwortlichen für den Krieg und die entsetzlichen Menschenrechtsverletzungen stehen überhaupt nicht unter Druck, sich nach Genf zu begeben. Ihr Führer Radovan Karadzic spielt weiter Katz und Maus mit UNO und EG. Jüngstes Beispiel: seine Weigerung, sich auf konkrete und verbindliche Regeln einzulassen für die Unterstellung schwerer Waffen unter UNO-Kontrolle, die er auf der Londoner Jugoslawienkonferenz Ende August noch mit großer Geste angeboten hatte. Ähnliches gilt für die Regierung in Belgrad, deren Behauptung, sie habe keinen Einfluß auf die bosnischen Serben und unterstütze diese nicht, eine durch zahlreiche Vor-Ort-Beobachtungen widerlegte Lüge ist.

Die Schuld und Beteiligung der bosnischen Kroaten an den andauernden Morden und Zerstörungen steht der der Serben inzwischen kaum noch nach. Auch sie haben keine zwingenden Gründe, sich ernsthaft an den Genfer Verhandlungen zu beteiligen. Sie stehen kurz vor dem mit Karadzic insgeheim vereinbarten Ziel, Bosnien-Herzegovina unter Serben und Kroaten aufzuteilen. Für die Regierung Tudjman in Zagreb, die dem Treiben der kroatischen Milizen ebenfalls zumindest wohlwollend gegenübersteht, gibt es ebenfalls keinen Anlaß für ernsthafte Verhandlungen.

Die bosnischen Moslems schließlich kommen nicht nach Genf, weil sie sich von den Verhandlungen überhaupt nichts erhoffen. Ihre verzweifelte Alternative, die in Wahrheit keine ist: kämpfen bis zum Untergang, selbst wenn die Serben und Kroaten demnächst den Krieg einzustellen bereit sind, weil sie bereits mehr Geländegewinne gemacht haben, als ursprünglich geplant — genug, um in Verhandlungen die Rückgabe kleinerer Gebiete anbieten zu können.

Heißt das, die Genfer Verhandlungen sind völlig überflüssig? Nein, denn es gibt keine Alternative zu Verhandlungen. Nur müssen einige Rahmenbedingungen verändert werden: Zum ersten müssen die bereits im Mai verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Serbien sowie das Waffenembargo gegen alle Kriegsparteien endlich strikt durchgesetzt werden. Das dieses bei entsprechendem poltischen Willen möglich ist, hat die internationale Staatengemeinschaft und haben vor allem die westlichen Staaten im Fall Irak bewiesen. Zweitens muß die militärische Begleitung von Hilfslieferungen nicht nur zu Land, sondern auch in der Luft endlich massiert erfolgen. Die entsprechende Resolution des UNO-Sicherheitsrates liegt längst vor. Dasselbe gilt für die längst vom Sicherheitsrat beschlossene Aufstockung der UNO-Truppe von derzeit 1.500 auf 8.000 Mann. Drittens könnten die Möglichkeiten dieser Truppe erheblich verstärkt werden, wenn ihr Mandat erweitert wird, so wie dies der für Menschenrechtsfragen zuständige UNO-Sonderberichterstatter Tadeusz Mazowiecki in seinem Ende August vorgelegten Bericht fordert. Das heißt: die UNO-Soldaten, müssen in ganz Bosnien- Herzegovina stationiert werden, sie müssen Zugang zu den Internierungslagern erhalten sowie das Recht, bei Menschenrechtsverletzungen vor ihren Augen einzugreifen. Und schließlich gehören an den Genfer Verhandlungstisch künftig nicht nur autorisierte Vertreter der Kriegsparteien, sondern auch die Repräsentanten der Oppositions- und Friedensgruppen aus Bosnien-Herzegovina, Serbien und Kroatien, die seit Beginn des Konfliktes gegen die Kriegsführung als Mittel der Politik eingetreten sind. Andreas Zumach, Genf

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