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Doch bald weitere Steuererhöhungen?

■ Möllemann schließt Steuererhöhungen nicht aus/ Thierse sieht Bundesregierung mitverantwortlich für ausländerfeindliche Gewalt/ Koalitionsspitze berät Procedere für den Solidarpakt

Bonn (dpa/ap) — Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hat am letzten Tag der Haushaltsdebatte zum Etat 93 eindringlich vor einer Steuererhöhungsdebatte gewarnt. Sein Kabinettskollege Jürgen Möllemann mochte hingegen höhere Steuern als letztes Mittel zur Finanzierung der Einheit nicht ausschließen. Während der Wirtschaftsminister die Diskussion um die Zwangsanleihe endgültig begraben wissen wollte, forderte die SPD erneut ein Sonderopfer für Besserverdienende.

Möllemann erklärte, gut zwei Jahre nach der Einheit habe die deutsche Wirtschaft insgesamt eine „kritische Phase erreicht“. Ein weiteres Abgleiten wäre auch für die Investitionen im Osten fatal. Die von Waigel angekündigte Unternehmenssteuerreform müsse sofort in Angriff genommen werden, auch wenn über einige Details noch zu sprechen sei. Die Steuerreform reiche allein aber nicht aus, um den Standort Deutschland insgesamt zu verbessern. Abgeschafft werden müßten auch die Vermögens- und die Gewerbekapitalsteuer.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Thierse warf der Bundesregierung vor, unter ihrer Politik schreite der wirtschaftliche Zusammenbruch in Ostdeutschland voran. Die Arbeitnehmereinkommen dort umfaßten nur 52 Prozent des Westeinkommens, während sich das Preisniveau dem westdeutschen annähere. Die Privatinvestitionen pro Kopf machten in den alten Ländern 9.700 Mark, in den neuen Ländern dagegen nur 5.900 aus. Damit sei der Aufbau nicht zu bewältigen. Thierse erklärte, die Bundesregierung sei aufgrund ihrer gescheiterten Politik mitverantwortlich für die ausländerfeindliche Gewalt in Ostdeutschland.

Der SPD-Wirtschaftsexperte Wolfgang Roth erneuerte die SPD- Forderungen nach einer Erhöhung der Investitionszulage von acht auf 20 Prozent und einer grundlegenden Änderung der Treuhand-Politik. Waigel bezifferte diese SPD-Forderungen in der Summe auf „ungedeckt“ mindestens 50 Milliarden Mark. Wie Möllemann sprachen sich auch Verkehrsminister Günther Krause (CDU) und Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) für verkürzte Genehmigungsverfahren für Investitionen, durchgreifende Entbürokratisierung und gezielte Mittelstandsförderung aus. Töpfer forderte zur Verbesserung der Umweltsituation in Ostdeutschland vorrangig die Verbesserung der Trinkwasserversorgung und Umweltsanierungen nach dem Arbeitsbeschaffungsprogramm, wofür die Finanzierung allerdings noch nicht sicher sei.

PDS und Bündnis 90/Die Grünen verlangten vermehrte Investitionsförderung und eine stärkere Sicherung von Arbeitsplätzen. Für die PDS forderte Fritz Schumann auch Lohnkostenzuschüsse und mehr regionale Fördermittel. Werner Schulz vom Bündnis 90 trat für einen staatlich geförderten Risikokapitalfonds zur Finanzierung von Investitionen in den neuen Ländern ein.

Bereits vor Debattenbeginn war die Koalitionsspitze zusammengekommen, um noch einmal über das Verfahren für einen Solidarpakt zu beraten. Nach Vorgesprächen der Koalition sollen Fraktions-Arbeitsgruppen in 14 Tagen ihre Vorschläge von der Investitionspauschale bis zur Zwangsanleihe und Steuererhöhungsfragen vorlegen. Das Spitzengespräch des Kanzlers mit den Tarifparteien, der Opposition sowie Vertretern von Ländern und Gemeinden soll noch in diesem Jahr stattfinden. Zur Finanzierung des Solidarpaktes forderte Wirtschaftsminister Möllemann die Einhaltung einer klaren Rangfolge: Zunächst müsse auf allen staatlichen Ebenen gespart und privatisiert werden. Dann seien weitere Mittel von West nach Ost umzuschichten. Noch vor dem letzten Mittel Steuererhöhungen sollte eine höhere Neuverschuldung hingenommen werden.

Unterdessen knüpfte die ÖTV- Vorsitzende Monika Wulf-Mathies die Teilnahme am Solidarpakt an Bedingungen: Tariföffnungsklauseln, Karenztage und Pläne für eine längere Arbeitszeit müßten vom Tisch, erklärte sie in Oberhausen. „Wer einen Solidarpakt mit den Gewerkschaften will, kann nicht gleichzeitig die Axt an den Sozialstaat legen.“

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