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Zwangspause für ABMler

■ Wegen fehlender Übergangsmittel stehen 400 ABM-Kräfte auf der Straße

auf der Straße

Die Hamburger Sozialbehörde macht Arbeitslose zur haushaltspolitischen Manövriermasse. Diesen harschen Vorwurf äußerte gestern der Verband Harburger Beschäftigungsträger (VHB). Mindestens 400 Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) verlieren in den kommenden Wochen ihre Beschäftigung, so rechnete Johannes Jörn, Geschäftsführer des Harburger Projekts „Lohn und Brot-Kontor“ vor, weil die Behörde sich bislang nicht bereit erklärt habe, eine Übergangsfinanzierung von etwa drei Monaten sicherzustellen.

Aus diesem Grund geraten jetzt alleine in Harburg 50 ABM-Kräfte in fünf Projekten in eine ebenso prekäre wie absurde Situation. Zum Beispiel die „Rollende Kleiderkammer“ der Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg: Elf ältere Langzeitarbeitslose sind hier mit dem Sammeln, Flicken und Ausgeben von Altkleidern beschäftigt. Ein Projekt, daß nach Ansicht der Gremien auch im nächsten Jahr mit zehn ABM-Kräften weiterlaufen soll. Zum 1.Oktober laufen jedoch sieben Stellen aus. Drei Monate, für die jetzt kein Geld zur Verfügung steht - drei Monate erzwungene Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose? „Da brechen Lebensperspektiven von Menschen zusammen, von denen die meisten über zehn Jahre arbeitslos waren“, beklagt Johannes Jörn.

Hintergrund für dieses unübersichtliche Finanzchaos ist ein Sparbeschluß der Bundesregierung. Diese entschied im Frühjahr, die ABM-Gelder rigide zusammenzustreichen. Folge: 1993 müssen in Hamburg 1500 Stellen gestrichen werden. Opfer dieses Kahlschlags sind Projekte im Sozial-, Bildungs- und Kultur- Bereich. Denn nach den neuen Kriterien werden nun vordringlich Beschäftigungsprojekte für Langzeitarbeitslose unterstützt.

In Rage brachte die Harburger jetzt jedoch eine Information von der Bundesanstalt für Arbeit: Danach könnte Hamburg in diesem Jahr 34 Millionen Mark für AB-Stellen unter der Voraussetzung einkalkulieren, daß sie erst 1993 ausgegeben werden. Offen ist nur die Zusage der Sozialbehörde, daß sie wie üblich die 20prozentige Aufstockung der Personalkosten aus ihren Haushaltsmitteln übernimmt. Doch die blieb bislang aus. Der Verdacht der VHB: Das Geld soll jetzt nicht ausgegeben werden, um damit im nächsten Jahr Haushaltslöcher zu stopfen.

„Humbug“, kommentiert dies der Leiter des Referats für Arbeitsmarktpolitik in der Sozialbehörde, Joachim Meyer. Man werde die Übergangsfinanzierung sicherstellen, „wenn Nürnberg bestätigt, daß die 34 Millionen für 1992 sind und nicht auf die Stellen für 1993 angerechnet werden.“ Und wenn nicht? Meyer lapidar: „Dann werden die Projekte einige Monate Leerlauf haben.“ sako

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