UNO-Soldaten sollen zurückschießen

■ Zahl der Blauhelme in Bosnien-Herzegowina soll von 1.500 auf 7.000 erhöht werden/ Hilfslieferungen künftig auch durch schwere Waffen gesichert/ Karazic hält Zusagen nicht ein

New York/Belgrad (AP/taz) — Nach bisher acht Toten und 46 Verletzten bei der UNO-Friedensmission in Bosnien will die Weltorganisation ihr Auftreten dort massiv verstärken. In New York rechnete man gestern fest mit der Zustimmung des Sicherheitsrates zum Plan von Generalsekretär Butros Ghali. Dieser sieht vor, die Zahl der bisher 1.500 Blauhelme auf 7.000 zu erhöhen, um so die Hilfslieferungen zu sichern. Der bislang auf Sarajevo und den Landkorridor nach Split begrenzte Einsatzraum soll um elf weitere Gebiete in Bosnien-Herzegovina erweitert werden. Nach den vorliegenden Angeboten werden die zusätzlichen UNO-Soldaten vor allem von Großbritanien, Frankreich und Kanada gestellt.

Angesichts sinkender Moral der Blauhelme im Kampfgebiet will Ghali auch das Recht auf Selbstverteidigung zusichern. Die UNO-Verbände sollen deshalb nicht nur — wie bisher — mit leichten Waffen, sondern auch mit Panzern und schwerem Gerät ausgerüstet werden. Ghalis Begründung: Die Blauhelme seien trotz ihres humanitären Auftrags ständiger Lebensgefahr durch Beschuß ausgesetzt. Da sowohl die Luftbrücke als auch die Landverbindung nach Sarajevo wegen anhaltender Kämpfe unterbrochen ist, sollen die Friedenstruppen, so Ghali, auch dann zum Kampf übergehen dürfen, wenn sie mit Waffengewalt an der Ausübung des UNO-Mandats gehindert werden. Die Finanzierung der Mission in Bosnien sollen jene Staaten tragen, die der UNO Soldaten zur Verfügung stellen. Bisher wurden Einsätze von allen Mitgliedsländern bezahlt.

Auch die militärische Sicherung der Lufbrücke stand auf der Tagesordnung des Weltsicherheitsrats. Ein entsprechender Resolutionsentwurf wurde dem Gremium nach dem mutmaßlichen Abschuß eines italienischen Luftbrückenflugzeuges vor Sarajevo am Donnerstag vergangener Woche vorgelegt.

Während in New York der Sicherheitsrat tagte, trafen gestern in Belgrad der UNO-Chefunterhändler Cyrus Vance und sein EG-Kollege David Owen ein. In Sarajevo war zuvor vereinbart worden, daß die Führer der bosnischen Serben, Kroaten und Muslime am kommenden Freitag an den Verhandlungen der Genfer Jugoslawienkonferenz teilnehmen. Die erhoffte Zusage des Serbenführers Radovan Karazdic, bis heute mittag die schweren Waffen in der Umgebung der bosnischen Hauptstadt, bei Gorazde, Bihac und Jajce der UNO-Truppe zu unterstellen, erhielten die Unterhändler allerdings nicht. Karadzic erklärte lediglich, seit Donnerstag sei die serbische Artillerie in der Umgebung von Sarajevo den UNO-Soldaten unterstellt worden. Doch nicht einmal dies ist nach Erkenntnissen von UNO-Beobachtern geschehen. Nur der Übernahme der Trinkwasser- und Elektrizitätsversorgung Sarajevos durch die UNO hat der Serbenführer sein Ja gegeben.

Restjugoslawiens Ministerpräsident nahm inzwischen den Rücktritt seines Außenminister Vladimir Jovanovic' an, dessen Außenpolitik er „in Stil und Ziel“ als mit seinen politischen Vorgaben als unvereinbar bezeichnete. Jovanovic, ein Vertrauter Milosevic, habe die Interessen Serbiens falsch vertreten. Gleichzeitig kündigte Panic die Umbildung seines erst im Juli gebildeten Kabinetts an. Die Umsetzung der Regierungspolitik, so der Ministerpräsident, erfordere „offenkundig andere Persönlichkeiten“. Der Rücktritt von Jovanovic, den Panic zunächst als Verhandlungsführer Belgrads auf der internationalen Jugoslawien- Konferenz in Genf entmachtet hatte, gilt als weiterer Höhepunkt in dem Machtkampf mit Milosevic.

Die Vereinigten Staaten haben nach Angaben aus Regierungskreisen unterdessen Beweise dafür, daß serbische Bomber die UNO-Luftbrücke nach Sarajevo zu Bombenangriffen ausnutzen. Die Flugzeuge, vorwiegend solche vom von bosnischen Serben kontrollierten Luftstützpunkt Banja Luka, fliegen angeblich dicht hinter den Luftbrückenflugzeugen her, in den für diese reservierten Luftkorridoren. Die Luftbrücke war am 3. September nach dem Abschuß eines italienischen Transportflugzeugs auf unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Die New York Times berichtete gestern, Washington habe bereits in Belgrad und beim bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic entschiedenen Protest gegen diese Praxis eingelegt. Der Gedanke, daß Kampfflugzeuge als sicher geltende Luftkorridore benutzen, um auf Menschen Bomben abzuwerfen, sei „unerträglich“. azu