Vielleicht ein Linksfüßer?

■ taz-Gespräch mit Marco Bode über Mitte und Spitze, Toretreffen und Intuition

Fußball

Foto: Jörg Oberheide

Mit schnellem Angriffsfußball und viel Einsatz ist Werder Bremen in die neue Bundesliga-Saison gegangen. Der gute Wille alleine reichte aber nicht. Werders Problem nach den ersten Spielen: Die Stürmer treffen das gegnerische Tor nicht. Marco Bode (23) spielte im letzten Jahr in der Spitze, in dieser Saison hat er ein paar Einsätze im Mittelfeld gehabt. Beim 7:0 im DFB-Pokal gegen die Amateure aus Beckum am vergangenen Wochenende schoß Bode zwei Tore. Die taz sprach mit ihm über das Tore-Schießen.

taz: Liegt Dir das Mittelfeld mehr als die Spitze?

Es ist schon ein kleiner Vorteil. Man kommt besser ins Spiel, hat mehr Ballkontakte, man kann ruhiger anfangen, während man vorne drin sofort gefordert ist. Du hast nur sehr wenige Situationen,

die wichtig sind, und da mußt du dann versuchen, das Beste draus zu machen, während du im Mittelfeld etwas mehr Zeit hast und sicherer wirst.

Werder bekommt den Ball schnell nach vorne, aber dann ist Schluß. Die Stürmer treffen das Tor nicht. Welche Probleme hat die Spitze?

Aktuelle Probleme sehe ich da gar nicht. Es ist richtig, viele Tore von uns haben Mittelfeld- und Abwehrspieler geschossen, aber das ist auch ihre Aufgabe, wenn die Spitzen so eng genommen werden. Das ist nichts Ungewöhnliches.

Aber es werden doch klare Torchancen nicht ausgenutzt.

Es ist das Problem eines Stürmers, daß er zwei, drei Situationen hat, auf die es ankommt, wo er die Möglichkeit hat, ein Tor zu schießen oder aber einen Mitspieler so frei zu spielen, daß er zum Torschuß kommt. Und wenn die mißlingen, dann wird schnell behauptet, der Stürmer hat schlecht gespielt oder sonst was. Jeder, der mal Fußball gespielt hat, wird wissen, daß solche Situationen, die von Journalisten oder Zuschauern als tausendprozentige Chancen bewertet werden, das eigentlich gar nicht sind. Denn das sind immer Situationen, in denen man Glück braucht und Ruhe, und wo viele Dinge zusammentreffen: Wenn man vorher zwei, drei lange Sprints gemacht hat, dann ist man physisch nicht ganz auf der Höhe, die Konzentration fehlt, für ein paar Sekunden nur, dann kann man die Bewegungen nicht mehr koordinieren, wie es nötig ist. Da kommen einfach viele Sachen zusammen, die ein Außenstehender vielleicht nicht so sieht.

Ist denn das Leben in der Spitze schwerer geworden?

So wie ich das beurteilen kann, hat sich das in den letzten Jahren nicht sehr verändert. Von der neuen Regel her kann man schon sagen, daß ein paar neue Ansprüche an die Stürmer gestellt werden. Weil die Abwehrspieler den Ball nicht mehr zurückspielen dürfen, muß jetzt auch der Stürmer mehr Druck auf den Abwehrspieler machen. Das sind ganz neue Spielsituationen, die man lernen muß.

Kann man das Toreschießen gezielt trainieren?

Man kann sicherlich Dinge wie Schußtechnik oder Kopfball- Technik trainieren, wobei da natürlich schon bei allen Bundesliga-Spielern ein gewisser Standard da ist. Was man kaum trainieren kann, ist die nötige Ruhe, die man haben muß, um in diesem Bruchteil einer Sekunde das Richtige zu tun. Und zwar nicht nur in Richtung Tor draufzuhalten, sondern auch mal den Ball zu schieben, eine Seite anzuvisieren, oder einen Heber zu versuchen.

Da wird immer viel von psychologischer Belastung geredet: Hat man eigentlich im Spiel Zeit, über die psychologische Situation, über die Erwartungen der Zuschauer oder des Trainers nachzudenken?

Nein, diesen Druck spürt man kaum. Da läuft viel automatisiert ab in solchen Situationen. Wie in jeder anderen Drucksituation auch. Wenn du im Auto sitzt und in eine gefährliche Situation kommst, wirst du auch kaum überlegen, was jetzt das Richtige ist, sondern du wirst es intuitiv tun oder intuitiv den Fehler machen. Dazu ist sicherlich auch Training gut, daß man immer wieder in diese Situationen kommt, und dann ein Automatismus einsetzt, der einen zwingt, daß Richtige zu tun. Groß nachdenken über Zuschauer, Trainer oder Presse, das tut man sicherlich nicht.

Gibt es mentales Trainig? Die Ski- Abfahrtsläufer gehen vor dem Start im Geiste die Strecke, die sie fahren werden, noch einmal durch. Gibt es Vergleichbares im Fußball?

Ich könnte mir vorstellen, daß es sowas gibt. Allerdings wüßte ich nicht, daß es schon praktizert wird. Es ist natürlich auch ein Unterschied zwischen einer Ski-Abfahrt und Fußball. Beim Fußball ist die Situation ja jedesmal anders, da kann man sich nicht drauf vorbereiten. Ich kann mir aber vorstellen, daß mit autogenem Training oder Konzentrationsübungen ein Anfang im mentalen Bereich kommt.

Wie stellst Du Dich auf Deinen Gegenspieler ein?

Du guckst natürlich, ist es ein Linksfüßer, ein Rechtsfüßer, ist er kopfballstark oder schnell. Im Spiel selbst über solche Dinge nachzudenken, dazu ist viel zuwenig Zeit. Du überlegst vielleicht vor dem Spiel: Sollst du früh dribbeln, um ihn zu verunsichern, oder spielst du erst einmal den Ball nur ab, um später mal was zu riskieren. Aber man versucht doch, sich auf sein eigenens Spiel zu konzentrieren.

Hast Du ein persönliches Saisonziel?

Mein persönliches Ziel ist, so häufig wie möglich zu spielen und mit der Mannschaft erfolgreich zu sein. Ziele wie eine bestimmte Anzahl von Toren oder so etwas, habe ich nicht. Dafür sucht man sich einen Mannschaftssport aus, in dem der kollektive Erfolg über dem inividuellen steht.

Fragen: mad/J.O.