: Viel Rauch um fragwürdige Forschung
■ Kinder als Versuchskaninchen bei medizinischen Versuchen zum Thema Passivrauchen in Großhansdorfer Lungenklinik
bei medizinischen Versuchen zum Thema Passivrauchen in Großhansdorfer Lungenklinik
Eine Untersuchung über die Wirkung von kurzfristigem Passivrauchen bei Kindern wurde gestern im WDR-Magazin „Monitor“ heftig kritisiert. Es handelt sich um einen Versuch, den der Leiter der Lungenklinik Großhansdorf bei Hamburg, Professor Helgo Magnussen, vor drei Jahren vorgenommen hatte. Der Mediziner wollte mit seinem Experiment untersuchen, ob eine kurzfristige Zigarettenrauch-Belastung Veränderungen der Lungenfunktion zur Folge hat.
Wie Professor Magnussen am Montag erklärte, hat er den Test bei elf leicht asthmakranken Kindern aus Hamburg und Umgebung vorgenommen. Für jeweils eine Stunde hätten sich die Acht- bis 13-Jährigen mit Einverständnis und im Beisein der Eltern in einer Kammer befunden, in die eine Maschine Zigarettenqualm hineinblies. Danach habe er bei ihnen keine Veränderung der Lungenfunktion festgestellt.
Ein Ergebnis, das im Sinne der Zigarettenhersteller sein dürfte, die die Untersuchung bezahlt haben. Denn finanziert wurde der Qualm-Test mit 150000 Mark von der „Forschungsgesellschaft Rauchen und Gesundheit“, die wiederum von der Zigarettenindustrie unterstützt wird. Ein Vertrag habe ihm völlige Unabhängigkeit garantiert, so der nichtrauchende Bronchial-Experte Magnussen, die Ergebnisse der Untersuchung seien bereits 1991 in einem renommierten amerikanischen Fachblatt veröffentlicht worden. Ergebnisse, die Prof. Christian Rieger, Direktor der Bochumer Kinderklinik, als „wissenschaftlich völlig wertlos“ bezeichnet, und die außerdem einer Verharmlosung der Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen Vorschub leisten können.
Denn auch von anderen konsumierte Zigaretten rufen Schäden hervor, das haben neue Untersuchungen des Bundesgesundheitsamtes (BGA) bestätigt. Akute Auswirkungen des Qualms seien Augenbrennen, Halskratzen und Kopfschmerzen, also alles, was man auch aus einer verrauchten Kneipe mit nach Hause nimmt, erläutert Burckhard Junge, wissenschaftlicher Mitarbeiter des BGA. Bei langfristigem Passivrauchen käme es aber nicht nur zu einer Veränderung von Lungenvolumen und -funktion, das sogenannte „Mitrauchen“ könne auch zu chronischen Schäden wie Bronchitis und Herzkrankheiten führen und sogar Lungenkrebs oder andere Krebsarten hervorrufen. Bei asthmakranken Kindern, wie den in der Großhansdorfer Klinik untersuchten, werde das bestehende Leiden verschlimmert.
Doch nicht nur wissenschaftlich fragwürdig sind Magnussens Zigarettenversuche. Als „strafbare Körperverletzung“ bezeichnete sie in der „Monitor“-Sendung der Göttinger Strafrechtler Prof. Hans- Ludwig Schreiber. Dem entgegnete der Lungenfacharzt, daß in diesem Fall jede Mutter, die im Auto raucht, während ihre Kinder auf dem Rücksitz sitzen, ebenso angeklagt werden müßte. Müßte sie wohl, zumal sie der nachfolgenden Generation die Luft gleich doppelt verpestet: Durch den Auspuff und den Glimmstengel. Vera Stadie
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