: US-Außenpolitik wird Wahlkampf geopfert
Wenn Bush die Basis besucht, gibt es Geschenke: Kampfflugzeuge für die Rüstungsindustrie, Subventionen für die Bauern ■ Aus Washington Andrea Böhm
Eigentlich hatte sich George Bush mit seinem Kampagnentroß bei einer Speditionsfirma in Joplin, Missouri, angekündigt. Doch für die Fernfahrer ließ sich im Wahlkampfgeschenkkorb so schnell nichts finden. Also machte der Präsident einen Bogen um die Trucks, flog stattdessen nach St.Louis und verkündete einer eilig zusammengeholten Gruppe von Mitarbeitern der Rüstungsfirma McDonnellDouglas, daß sie demnächst 72 F-15-Kampfflugzeuge für Saudi-Arabien bauen dürfen. Die quittierten die Nachricht mit Jubelgeschrei und kräftigem Schwenken das US-Flagge, geht es doch um rund 7.000 Arbeitsplätze in den McDonnell-Douglas-Niederlassungen in St.Louis, Missouri, und Tulsa, Oklahoma, die von dem Waffengeschäft im Wert von neun Milliarden Dollar abhängen.
Noch vor wenigen Monaten hätte dieser Deal die ohnehin schon schlechten Beziehungen zwischen den USA und Israel auf den Nullpunkt sinken lassen. Doch erstens ist dort inzwischen die Arbeiterpartei unter Jitzhak Rabin an der Macht. — Rabin hat die Wahlen nicht zuletzt deswegen gewonnen, weil Washington seinem Vorgänger Schamir klar signalisiert hatte, daß es ohne einen Kurswechsel in der Siedlungspolitik die finanziellen Daumenschrauben anziehen wird.
Zweitens hat die Bush-Administration quasi zur Besänftigung den Israelis Zugang zu militärischer Technologie versprochen, die bislang tabu war — außenpolitische Schadensbegrenzung für einen Wahlkampfcoup.
Windungen und Wendungen
Drittens sind die Erfolgsaussichten äußerst gering, im US-Kongreß eine Mehrheit gegen das F-15-Geschäft zu finden. Der Kongreß kann das Rüstungsgeschäft zwar innerhalb der nächsten 30 Tage blockieren, doch es dürften sich nur wenige Senatoren und Repräsentanten finden, die in einem Wahljahr mit hoher Arbeitslosigkeit gegen den Verkauf der Kampfflugzeuge stimmen würden. Rabin jedenfalls ließ bereits Anfang September anklingen, daß er das Geschäft zwischen McDonnellDouglas und Riad ohne Proteste zur Kenntnis nehmen wird.
Der Verkauf von Kampfflugzeugen an Saudi Arabien ist nur eines von mehreren Beispielen für das derzeitige Primat des US-Wahlkampfs über die US-Außenpolitik. Wenige Tage vor dem Auftritt in St.Louis verkündete Bush in einer Produktionsstätte des Rüstungskonzerns General Dynamics in Texas die Liefergenehmigung von F-16-Kampfflugzeugen im Wert von neun Milliarden Dollar an Taiwan. Die steht im klaren Widerspruch zu einem Abkommen mit der Volksrepublik China aus dem Jahre 1982, in dem sich die USA verpflichteten, Waffenlieferungen an Taiwan „Schritt für Schritt“ zu reduzieren.
Die Reaktion in Peking fiel entsprechend harsch aus. Man drohte „negative Auswirkungen auf die US- chinesische Kooperation in der UNO und anderen internationalen Organisationen“ an. Nun sind diplomatische Rücksichtnahmen auf die chinesische Führung nach dem Massaker am Tiananmen-Platz ohnehin nicht angebracht. Doch bis zu Beginn des Wahlkampfs zeigte sich George Bush ausgesprochen nachsichtig mit Peking. Er forcierte die Wiedereinführung der Meistbegünstigungsklausel, die den Chinesen Importe zu den niedrigsten Preisen ermöglicht. Mehrfach hat er auch Bestrebungen des US-Kongresses verhindert, die Wirtschaftsbeziehungen zur VR China an humanitäre Bedingungen zu knüpfen.
Kurz vor der Landung in St.Louis bei einem Zwischenstop bei Farmern in South Dakota hatte der Präsident noch einmal kräftig ausgeteilt und Subventionen für Weizenexporte im Wert von einer Milliarde Dollar versprochen. Der Wahlköder stellte sich zwar schnell als Mogelpackung heraus — der Großteil der Subventionen war schon lange genehmigt. Doch es reichte allemal, um die argentinische und australische Regierung zu verärgern, deren Bauern sich im Konkurrenzkampf mit den US-Farmern befinden. Vor allem aber stehen die Weizensubventionen im krassen Gegensatz zu Bushs schon fast religiösem Bekenntis zum Prinzip der Freihandelszonen.
Selbstbedienungsladen
Daß sich Amtsinhaber im Kampf um die Wiederwahl ihrer außenpolitischen Kompetenzen und auch der Staatskasse bedienen, ist nichts Neues. Doch einmalig ist die offensichtliche Selbstverständlichkeit, mit der die gesamte Außenpolitik dem Wahlkampf untergeordnet ist. Die Führungsspitze des State Departments hat sich George Bush ins Weiße Haus und in seine Wahlkampfzentrale geholt, damit ihn James Baker wie schon vor vier Jahren aus dem Popularitätstief holt. Die Jugoslawienpolitik der USA gleicht einem Zickzackkurs — unter anderem, weil man im Weißen Haus in dieser Krisenregion ohne vorherige Meinungsumfrage am liebsten keinen Schritt tun würde. Die jüngste außen- und militärpolitische Initiative der USA, die Verhängung einer Flugverbotszone für irakische Maschinen im Südirak zum Schutz der dort lebenden Schiiten, ist ein Wahlkampfmanöver mit Eskalationsspielraum. Ob der noch vor den Wahlen für ein militärisches Abenteuer genutzt wird, dürfte unter anderem von Bushs Stand in den Meinungsumfragen im Oktober abhängen — und von der Frage, ob sich die Politik der Wahlgeschenke gelohnt hat.
Das bezweifeln nicht nur seine Kritiker, sondern auch Mitarbeiter in den eigenen Reihen. „So gewinnt man keine Wahlen“, erklärte Jeffrey Bell, republikanischer Wirtschaftsexperte und Wahlkampfberater. „Er muß schon etwas für das Land als Ganzes tun. Wenn er weiterhin kleine Gefälligkeiten für bestimmte Gruppen in der Bevölkerung verteilt, dann sehen die Wähler das nicht als ökonomische Führungsstärke an, sondern als das typische Politikgeschäft.“
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