Aus der Stasi-Akte „taz“

■ taz-Kollegin als Spitzel am Redaktionstisch / Aus der „Akte Wolschner“

Seit ein paar Wochen liegen zehn fotokopierte Blätter auf meinem Schreibtisch: erste Stücke meiner Stasi-Akte. „Quelle: Beate Schäfer“. Klarname: Brigitte Heinrich. Ihr Lebensgefährte, Klaus Croissant, ist am Montag verhaftet worden, sie selber starb vor Jahren.

Brigitte Heinrich war in Frankfurt die erste Vorsitzende des ersten Frauen-AStA der Republik Anfang der 70er Jahre. Nach ihrem Gefängnis-Aufenthalt müsse man ihr, so hieß es Anfang der 80er Jahre in der taz, helfen, neuen Boden unter die Füße zu bekommen. An ihre unerträgliche politische Borniertheit erinnere ich mich. Daß sie dafür von der Stasi bezahlt wurde, hätte ich damals nie glauben können.

Auf der taz-Redaktionssitzung habe „W.“ kritisiert, daß nur über Nato-Abrüstung berichtet werde und zu wenig über die „aus seiner Sicht auch notwendigen Abrüstung inm Ost-Block“, berichtete die Kollegin Heinrich an den DDR-Geheimdienst. „Wolschner wurde unserer Diensteinheit im Mai 1981 operativ bekannt“, meldet Abteilung XXII/3 aus Hamburg. Durch „eindeutig pazifistische Positionen“ sei W. damals aufgefallen, steht in der Stasi-Akte, und durch „Unkonstruktivität“.

In der taz erschienen unter diversen Namen Berichte aus der oppositionellen Friedensbewegung in der DDR. „Verleumderische und diffamierende Beiträge“, fand die Stasi. Brigitte Heinrich half ihr, herauszufinden, welcher Autor sich hinter dem Pseudonym versteckt. „Wolschner hat neben seinen Kontakten in Westberlin auch Verbindungen in die DDR“, berichtete die Kollegin Heinrich der Stasi-Abteilung XXII/8. Darunter ein Bericht über die Giftmüll- Deponie Schönberg. „Mit diesem Artikel versucht Wolschner offensichtlich, die Grünen und Bürgerinitiativen im Norddeutschen Raum unter dem Vorwand des Umweltschutzes gegen die DDR aufzuhetzen.“ W. „vertritt auch eine anti-Guerilla-Haltung“, hat die Kollegin Heinrich ihrem Führungsoffizier mitgeteilt.

„Durch linke Kräfte im Redaktionskollektiv ist geplant, Wolschner aus der taz herauszudrängen“, vermerkt die Stasi 1983 mit großem Interesse. „Bei der Einleitung operativer Maßnahmen gegen Wolschner und evtl. anderer Mitarbeiter der taz bitten wir im Interesse der von uns eingeleiteten Maßnahmen sowie aus Gründen des Quellenschutzes um Koordinierung...“

Ob und welche Maßnahmen eingeleitet wurden, geht aus meinen zehn Blättern noch nicht hervor. Klaus Wolschner