: Wege der Mahnung
Beerdigungsinstitut in Winterhude will ■ für Aids sensibilisieren
Zwei Schaufenster: In dem einen ein großes Schwarzweiß-Photo mit einem nackten Mann, der auf einem Podest hockt. Seine Schatten an der Wand wirken wie ein doppeltes Phallussymbol. Aus seinem Körper kommen bunte Neonstäbe, sie verwinden sich und formieren sich dann zu einem Regenbogen, der in dem anderen Fenster im Boden verschwindet. Diese besonders für ein Bestattungsinstitut ungewöhnliche Dekoration bringt derzeit am Winterhuder Marktplatz immer wieder Passanten dazu, einen Moment stehenzubleiben.
Über den Tod werde normalerweise nicht gesprochen, erläutert Christa Grotepaß, Geschäftsführerin von „Die Bestatterin“. Deshalb dekorieren solche Unternehmen ihre Fenster normalerweise mit Urnen, Bibeln und Kerzenständer. Alles, was mit dem Sterben zu tun hat, soll unsichtbar oder wenigstens im Hintergrund bleiben. Be-
1sonders, wenn noch ein zweites Tabuthema hinzukommt: Der Mann auf dem Photo ist an Aids gestorben. Es ist ihm nicht sofort anzusehen, erst auf den zweiten Blick erkennt man, daß sein Gesicht ge-
zeichnet ist.
„Ich möchte die Leute kitzeln und pieksen. Wenn sie zum Nachdenken angeregt werden oder sogar zum Diskutieren, habe ich mein Ziel erreicht“, sagt die Dekorateurin Monika Baum und meint, daß die Möglichkeiten des Mediums Schaufenster viel zu wenig genutzt werden. Die Schaufenster seien „das Gesicht einer Stadt“, jedes eine „kleine Bühne“. Ihre Arbeit zum Thema Aids sieht Monika Baum als politischen Akt: Sie will Tabus brechen und Öffentlichkeit herstellen.
Etwa acht Prozent der vom Institut betreuten Todesfälle werden durch Aids verursacht. Kein Wunder also, daß sich Christa Grotepaß mit dem Thema beschäftigt. Die bunten Neonröhren symbolisieren für sie die vielen Fragen, die auf einen Aidskranken einstürzen, der Regenbogen sei die Brücke zu einem neuen Leben. löf
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