Der IWF liest Bush die Leviten

Internationaler Währungsfonds wirft USA-Schuldenpolitik Gefährdung der Weltwirtschaft vor  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Der Tonfall ist Regierungen aus der sogenannten dritten Welt bestens vertraut. Im Weißen Haus muß man sich erst daran gewöhnen: der Internationale Währungsfonds (IWF) hat kurz vor Beginn des jährlichen Treffens von IWF und Weltbank der US- Administration wirtschaftspolitisch die Leviten gelesen. Die Kritik kam zwar nicht in Form einer offiziellen Erklärung, sondern im Rahmen eines Hintergrundgesprächs mit Journalisten, doch sie war deutlich: Das Haushaltsdefizit der USA gefährde langfristig das Weltwirtschaftswachstum und müsse umgehend um 240 bis 300 Milliarden Dollar pro Jahr reduziert werden. Dazu, so der IWF-Vertreter, reichen Budgeteinsparungen nicht aus: Steuern müssen erhöht werden. Allerdings haben solche Belehrungen im Fall USA vorerst keine Folgen. Noch muß sich Washington von niemandem vorschreiben lassen, wie es seinen Haushalt führt.

Der Konflikt mit dem IWF geht auf dessen jüngste Einschätzung der US-Wirtschaft zurück, die der Währungsfonds jährlich erstellt. Dessen veröffentlichte Version ist weitaus diplomatischer abgehalten als der interne Bericht. Der Bush-Administration geht die Kritik des IWF nicht nur inhaltlich gegen den Strich, sie kommt auch noch zu einem prekären Zeitpunkt. Eine der zentralen Strophen in den Wahlkampfreden des Präsidenten lautet: Defizit verringern — ja; Steuern erhöhen — nein. Die Verringerung des Haushaltslochs will Präsident Bush durch Budgetkürzungen erreichen. „Wie das gehen soll“, erklärte der IWF-Beamte, „kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.“ Statt dessen schlägt der Währungsfonds vor, Steuererleichterungen und Abschreibungsmöglichkeiten abzuschaffen — und vor allem die Einführung einer Steuer auf Energieträger wie Kohle und Öl sowie einer Umsatzsteuer. Ein Vertreter der Bush-Administration wies die Vorschläge als unrealistisch zurück. Die Wirtschaft sei zur Zeit für solch drastische Maßnahmen zu schwach.

Der Schuldenberg der einzig verbliebenen Supermacht ist inzwischen auf 4,2 Billionen Dollar angewachsen. Das Haushaltsdefizit wird dieses Jahr voraussichtlich über 330 Milliarden Dollar betragen. Vierzehn Prozent des Bundeshaushaltes werden in diesem Jahr allein für den Schuldendienst verschlungen — das ist mehr als der Haushaltsanteil für Zuschüsse an Staaten und Städte, der 1992 nur noch bei dreizehn Prozent liegt. In vielen Bundesstaaten werden die Vorstellungen des IWF längst praktiziert: Staatliche Programme und Ausgabeposten — von der Sozialversicherung, über Krankenversicherung bis zum Personalbestand im öffentlichen Dienst — werden drastisch gekürzt; die Steuern erhöht.