: Deutsche Granaten gegen Kurden
Britischer Bericht: Türken beschossen Sirnak mit deutschen Granaten/ Kinkel weiß von nichts ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack
Bei der Zerstörung der kurdischen Stadt Sirnak Mitte August haben türkische Truppen auch Granaten aus deutschen Leopard-Panzern eingesetzt. Zu dieser Erkenntnis kommt ein Bericht des Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des britischen Parlaments, Lord Avbury, der Anfang September Sirnak besucht hatte.
Die Hilfsorganisation medico international veröffentlichte gestern diesen Bericht und forderte die Bundesregierung auf, „nunmehr endgültig und dauerhaft ein striktes Waffenembargo gegen die Regierung in Ankara zu verhängen“.
Der Einsatz deutscher Waffen gegen kurdische Zivilisten, so die Hilfsorganisation, verletze „in vollem Umfang“ den Briefwechsel zwischen Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und seinem türkischen Amtskollegen Cetin. In Kinkels Ministerium waren dagegen auch gestern „keine Hinweise bekannt, daß in Sirnak deutsche Waffen eingesetzt wurden“. Ein Sprecher sagte, es gebe „keinen Anlaß, daran zu zweifeln“, daß die Türkei die Waffen in Übereinstimmung mit dem Nato-Vertrag und dem Briefwechsel verwende.
Am Dienstag hatte eine dreiköpfige Delegation des türkischen Verteidigungsausschusses durch Vermittlung des deutschen Verteidigungsausschusses die Rüstungsfirma Jung Jungental in Kirchen bei Neuwied besucht, die Ersatzteile für den Leopard I herstellt. Die PDS hatte dem Bundestag deshalb vorgeworfen, die türkischen Befehlshaber „unverhohlen“ zu ermutigen, „weiteres Kriegsgerät für ihren Mord am kurdischen Volk in der Bundesrepublik zu ordern“. In Kirchen wurden die türkischen Parlamentarier von einigen Demonstranten empfangen.
Angeführt von dem Vorsitzenden des türkischen Verteidigungsausschusses, Baki Tug, der der „Partei des richtigen Weges“ von Ministerpräsident Demirel angehört, war die Gruppe am Sonntag auf Einladung des deutschen Verteidigungsausschusses in Bonn eingetroffen.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Brigitte Schulte rechtfertigte gestern gegenüber der taz den Besuch. Er sei „sinnvoll und notwendig“ gewesen, auch um auf die Türken „einzuwirken, daß sie sich rechtsstaatlicher verhalten“, meinte Schulte. In einem Gespräch mit den Besuchern hätten Ausschußmitglieder von CSU, CDU, FDP und SPD auch ihre „Besorgnis“ über die Situation in Kurdistan geäußert.
„Die Türken haben nun mal weitgehend deutsche Waffen“, begründete Schulte den Besuch bei der Rüstungsfirma. Die Türken wüßten selbst, daß sie diese Waffen nicht in Kurdistan verwenden dürften. Dort gebe es „keinen Bürgerkrieg“, sondern lediglich Militäraktionen gegen terroristische Übergriffe der kurdischen PKK. Die SPD-Abgeordnete verglich diese Kämpfe mit der Situation in Nordirland und in Spanien. „Auch Großbritannien und Spanien haben Minderheitenprobleme“, sagte Schulte.
Die Menschenrechtspolitik sei „ein zentraler Teil deutscher Außenpolitik“, hier werde er sich „von niemandem übertreffen lassen“, erklärte unterdessen Außenminister Kinkel nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden der deutschen Sektion von amnesty international, Volkmar Deile. amnesty, so Kinkel, genieße die „vollste Unterstützung“ des Außenministeriums.
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