: Asyl: Hirsch als letzter Aufrechter
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Hirsch wehrt sich vehement gegen Absichten, den Artikel16 im Grundgesetz abzuschaffen/ Zurückhaltende Reaktionen bei den Sozialdemokraten ■ Aus Bonn Tissy Bruns
Nun muß schon einer aus der FDP an die sozialdemokratische Standhaftigkeit appellieren. Der Bundestagsabgeordnete Burkhard Hirsch hofft, daß die SPD „dem populistischen Geplauder“ ihres stellvertretenden Vorsitzenden Oskar Lafontaine nicht folgt. Der hatte sich am Mittwoch positiv zu den neuen Überlegungen der Union geäußert, das Individualrecht auf Asyl in der Verfassung durch einen Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention zu ersetzen (siehe auch Kasten). Eine Ohrfeige gar für die Koalitionspartner: Hirsch hielt CDU und CSU vor, in der Asylpolitik die „Republikaner“ rechts überholen zu wollen.
Die Führungspolitiker der SPD reagierten eher zurückhaltend auf den Schwenk von Oskar. Zwar lehnte auch gestern wieder der Ex- Vorsitzende Hans-Jochen Vogel alle derartigen Überlegungen scharf ab. Die Asyldebatte gerate immer mehr auf die schiefe Ebene. Vogel: „Allmählich glaube ich, daß bald die ersten auch die Kündigung der Genfer Flüchtlingskonvention verlangen.“ Laut ddp votiert Parteichef Björn Engholm dafür, das individuelle Asylrecht für politisch Verfolgte unbedingt zu erhalten. Die Nachrichtenagentur zitiert Engholm gleichzeitig mit der Bemerkung, gerade dieses Recht sei durch die gegenwärtige Asylregelung „in Gefahr, überlaufen zu werden“. Bei 500.000 bis 600.000 Menschen in diesem Jahr drohe eine vollständige Aushöhlung des Asylrechts. „Ohne Änderungen wird es das Asylrecht bald nicht mehr geben.“ Renate Schmidt, SPD-Präsidiumsmitglied, verwies im Saarländischen Rundfunk darauf, daß der Parteivorstand ein „Gesamtpaket für die Zufluchtsuchenden“ beschlossen habe und fand es „nicht besonders hilfreich“, jetzt darüber zu diskutieren, wie der Artikel 16 verändert werden solle.
Die CSU steigerte das tägliche Ritual des Drucks auf die SPD mit einer neuen Variation. Nur wenn Björn Engholm dem SPD-Sonderparteitag zusätzlich zur Änderung des Artikel 16 auch die des Artikel 19 (Rechtswegegarantie) vorschlagen würde, wäre CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch bereit, „in Überlegungen einzutreten“, ob die für Oktober geforderte Bundestagsabstimmung über das Asylrecht verschoben werden könne.
Scharfe Kritik am Vorschlag, den Artikel 16 des Grundgesetzes zugunsten eines einheitlichen Asylrechts in Europa zu streichen, hat das Bündnis90 geäußert.
Rumänen schneller abschieben
Bonn (AP) — Abgelehnte Asylbewerber aus Rumänien sollen künftig schneller abgeschoben werden. Bundesinnenminister Seiters werde kommende Woche ein entsprechendes Abkommen mit Rumänien unterzeichnen, teilte sein Ministerium gestern mit. In dem Abkommen verpflichte sich das osteuropäische Land, rumänische Staatsbürger auch ohne Identitätspapiere wieder aufzunehmen, so das Innenministerium. Die Zahl der Asylbewerber, die keine Papiere vorlegen, sei inzwischen auf 70 Prozent angestiegen.
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