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Und plötzlich bist du Mutter

■ Wenn Mutterschaft nicht das pure Glück auslöst: Mütter-Selbsthilfegruppe

hierhin bitte die Mutter

mit Kind am Kleiderständer

Mutter-Sein — das höchste Glück auf Erden? Foto:Herve Maillet

Überall blicken sie uns entgegen, die strahlenden Mütteraugen. Glücklich ist eine Mutter — schon deshalb, weil sie eine ist. Und die Welt ist in Ordnung, wenn sie nur die richtige Windel im Einkaufskorb und die richtige Fertignahrung im Vorratsschrank hat. Die Werbe-Mutti weiß alles, kann alles und ist 24 Stunden am Tag nur das eine: Mutter.

Daß das Muttersein nicht nur Lächeln und Sonnenschein ist, erfuhr die Diplom-Psychologin Ina Knoblauch-Pernice, als sie vor knapp zwei Jahren ihre Tochter

zur Welt brachte. „Es war überraschend für mich, in welchem Ausmaß mein Leben sich dadurch veränderte. Plötzlich war ich Mutter. Meine Tochter brauchte viel Zuwendung von mir. Wenn mein Mann dann auch noch kam, war es mir oft zuviel.“ Die Erfahrung, daß besonders das erste Jahr nach der Geburt eine schwierige Umstellung von ihr erforderte, brachte sie in diesem Sommer auf die Idee, die Frauengruppe „Auf einmal ist das Kind da“ anzubieten.

Mütter mit Kindern bis zum Ende des ersten Lebensjahres können sich seitdem im Frauengesundheitszentrum in der Hohenlohestraße alle 14 Tage treffen und mit Ina Knoblauch-Pernice über ihren Alltag und ihre Probleme reden. Doch die Frauen kommen bisher nur zögerlich. Es fällt schwer zuzugeben, daß eine mit der neuen Rolle, die doch soviel Glück bringen sollte, ihre Schwierigkeiten hat: „Viele haben das Gefühl, ihr Erscheinen in einer solchen Gruppe bedeute, daß sie versagt hätten.“

Die Mütter versuchten, allein zurecht zu kommen. Da beginne die Suche nach Vorbildern: „Sie denken zunächst an ihre eigenen Mütter. Doch was sie dort erfahren haben, finden sie dann doch nicht alles so nachahmenswert,“ erzählt Ina Knoblauch-Pernice. Wieder stünden die frischgebackenen Mütter vor der Frage: Wie mache ich es richtig? „Sie versuchen stets, dem verinnerlichten Bild von der 'guten Mutter' zu entsprechen. Und dann kommt der große Zweifel: Gebe ich meinem Kind auch genug?“

Besonders ein paar Monate nach der Geburt, wenn eine Mutter nach der ersten symbiotischen Phase wieder verstärkt eigene Bedürfnisse spüre, brauche sie Zeit für sich. „Zeit, die sie ohne ihr Kind verbringen kann.“ Das setze aber auch Verständigung mit dem Partner voraus, denn auch der muß sich verantwortlich fühlen: „Die beiden müssen sich einigen: Wer paßt wann auf das Kind auf?“ Und die Eltern müssen eine gemeinsame Erziehungslinie finden. „Auch hier kann es schwere Konflikte geben“, weiß die Psychologin zu berichten: beide kämen aus verschiedenen Familien mit unterschiedlichen Erfahrungen und Vorstellungen. „Und keiner will sich selbst einfach aufgeben“.

Konflikte entstünden aber auch in der Sexualität mit dem Partner: „Mit der Mutterschaft verändern sich oftmals die sexuellen Bedürfnisse. Wenn die Frau weniger Bedürfnis nach körperlicher Nähe hat, dann kann es passieren, daß der Mann sich zurückgesetzt fühlt, weil er weniger bekommt als früher.“

Für alleinerziehende Mütter stellt sich die neue Situation noch anders da: „Sie sind allein verantwortlich und müssen oftmals arbeiten,“ erläutert Ina Knoblauch Pernice.

Wie können Frauen mit solchen Konflikten umgehen? Ina Knoblauch-Pernice meint dazu „Die Frauen müssen erstmal für sich selbst entscheiden, wie sie eigentlich als Mütter leben wollen.“ Nach diesem ersten müsse dann der zweite Schritt folgen: „Sie müssen ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse auch in Ordnung finden.“ Doch viele Frauen haben Angst, sie seien schlechte Mütter: „Sie befürchten, daß sie ihre Kinder abschieben, wenn sie sie mal nicht sehen wollen.“ Doch die Psychologin hält dieser Angst entgegen: „Eine gute Mutter ist die, die auch für sich selbst sorgt.“ Marion Bosse

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