: Datenschutz bleibt auf der Strecke
■ Neues Verfassungsschutzgesetz: Datenschutzbeauftragter Hansjürgen Garstka erhebt schwere Bedenken/ Dürfen Ermittler Kinder observieren?
Berlin. Bei den rechtsradikalen Ausschreitungen der letzten Wochen beherrschten zum großen Teil Kinder und Jugendliche die Szene. Sie bilden ein erhebliches Kontingent der etwa 1.600 Rechtsradikalen, die das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz in der Stadt vermutet. Das Amt sieht in der Erforschung dieser Gruppenzusammenhänge ein neues Aufgabengebiet seiner durch interne Krisen arg gebeutelten Mitarbeiter. Doch will der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka der Schnüffelleidenschaft der Behörde ein enges Zaumzeug anlegen. Wie seine Sprecherin Claudia Schmid gegenüber der taz erklärte, bestehen in ihrem Hause erhebliche Bedenken gegen das neue Verfassungsschutzgesetz, das die Große Koalition demnächst verabschieden will.
In diesem Gesetz wird unter anderem dem Verfassungsschutz die Möglichkeit eingeräumt, Informationen über Minderjährige zu sammeln, sofern sie staatsgefährdende Straftaten planen oder begehen. Bis zum 16. Lebensjahr, so die Kritik des Datenschutzbeauftragten, dürften Kinder und Jugendliche nicht erfaßt werden. Auch bei älteren Jugendlichen müsse genau geprüft werden, ob eine Erfassung wirklich erforderlich ist.
Unwohl ist dem Datenschutzbeauftragten auch bei der im Gesetz vorgesehenen Beobachtung von Einzelpersonen. Dies dürfe, so Schmid, nur in »absoluten Ausnahmesituationen« erlaubt sein. Die Grünen/Bündnis 90 sehen auch die Rechtfertigung durch eine solche Ausnahme nicht. Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast will dem Verfassungsschutz eine Ausspähung nur bei Gruppenzusammenhängen gestatten, denn, so ihre Erfahrung, eine Einzelperson könne gar nicht so gefährlich für die Verfassung werden, daß dies eine Beobachtung durch das Amt rechtfertigen würde. Künast will zudem, im Gegensatz zu SPD und CDU, das Tätigwerden des Verfassungsschutzes nicht nur davon abhängig machen, daß eine Gruppe sich verfassungsfeindlich äußert, sondern auch davon, daß sie ihre Ansichten mit Gewalt durchsetzen will. Diese beiden Kriterien müssen nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten zumindest vorliegen, wenn der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel einsetzt. Diese Mittel sollten zudem, so Garstkas Forderung, im Gesetz aufgelistet werden. Die Regierungskoalition will dies durch eine einfache Verwaltungsvorschrift regeln.
Der Datenschutzbeauftragte kritisiert heftig, was SPD und CDU dem Bürger an Rechten zugestehen. Nach deren Willen darf ein Betroffener nur noch Auskunft über seine gesammelten Unterlagen erhalten, wenn er ein »besonderes Interesse« darlegen kann. Das verstoße, so Schmid, gegen das vom Bundesverfassungsgericht garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und müsse schlicht gestrichen werden. Auch habe ein Betroffener ein Recht, seine Akten einzusehen. Dieses will die Koalition gleichfalls abschaffen.
Garstka wird seine Bedenken in der kommenden Woche dem Parlament vortragen. Er hofft, daß dann an dem Entwurf von SPD und CDU noch einige Änderungen vorgenommen werden, denn bislang ist das Gesetzeswerk in seinen Augen lediglich eine »scheibchenweise Rücknahme des Datenschutzes«. Dieter Rulff
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