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Wo sind die werbefreien Zonen?

Der Werbemarkt im TV-Bereich boomt für die kommerziellen Sender  ■ Von Philippe Ressing

Harte Zeiten für die Werbeeinnahmen bei den Sendern der ARD, denn im nächsten Jahr müssen die Preise um ein Drittel gesenkt werden. Ein 30-Sekunden-Spot soll dann im Jahresdurchschnitt fast 50.000 Mark kosten. Die Kollegen vom ZDF müssen ihre Werbepreise dagegen nur um rund 10 Prozent senken, auf etwa 67.000 Mark pro halbe Minute. Da beide Öffentlich-Rechtlichen nur 20 Minuten TV-Werbung täglich zwischen 18 und 20 Uhr ausstrahlen dürfen, macht ihnen die kommerzielle Konkurrenz schwer zu schaffen. Die Privaten werben nämlich den lieben langen Tag, auch an Sonn- und Feiertagen, um ein Fünftel ihrer Sendezeit mit Werbung zu füllen.

Von Januar bis August saßen die ARD, das ZDF und die dritten Programme mit Einschaltquoten von über 54 Prozent in der „ersten Reihe“. Im Gegensatz dazu stehen alarmierende Zahlen in den verkabelten Haushalten, die alle kommerziellen Sender empfangen können. Dort fielen die Einschaltquoten der Öffentlich-Rechtlichen im ersten Halbjahr 1992 das erste Mal unter die magische 50-Prozent-Quote. Hinzu kommt, daß in Kabelhaushalten mit durchschnittlich drei Stunden täglich eine Viertelstunde mehr geglotzt wird als in unverkabelten.

Dabei verbuchte RTLplus mit 17 Prozent Einschaltquote genauso viele ZuschauerInnen im Kabel wie das ZDF und nur ein Prozent weniger als „Das Erste“. Die Konkurrenten von Sat.1 liegen bei 14 Prozent Einschaltquote, gefolgt von Pro7 mit rund 9 Prozent. Und die Zuschauergunst bestimmt schließlich den Werbeetat. So gab die werbetreibende Wirtschaft im letzten Jahr knapp 5 Milliarden Mark für TV-Werbung aus, ein Anstieg innerhalb von vier Jahren um fast das Doppelte.

Den Löwenanteil steckte davon RTLplus mit einer Milliarde ein, gefolgt von Sat.1 mit rund 800 Millionen sowie der ARD und dem ZDF mit jeweils über 700 Millionen Mark. 1988 lagen die ARD und das ZDF noch ungefährdet an der Spitze mit zusammen fast 1,6 Milliarden Mark Werbeeinnahmen, während die beiden Kommerziellen mit nur 240 Millionen das Nachsehen hatten. Doch die beiden Marktführer bei den kommerziellen Anbietern, RTLplus und Sat.1, schreiben mittlerweile schwarze Zahlen und erhöhten in der letzten Zeit deutlich ihre Preise für Werbespots.

Der Kirch/Springer-Sender Sat.1 verteuerte in diesem Jahr die Werbepreise um satte 21 Prozent. Im nächsten Jahr will er sogar um weitere 4 Prozent anziehen. Zu Spitzeneinschaltzeiten, wie beim Bundesligafußball, kosten dann 30 Werbesekungen runde 110.000 Mark. Beim Konkurrenten RTLplus, der dieses Jahr die Preise um knapp 10 Prozent erhöhte, müssen für die halbe Minute sogar über 112.000 Mark hingeblättert werden. Und auch bei den kleineren Sendern boomen die Werbeeinnahmen, so verteuerte die Kirch- Tochter Pro7 ihre Schaltpreise um satte 100 Prozent. Pro 30 Sekunden muß hier allerdings vergleichsweise wenig hingeblättert werden, nämlich 22.000 Mark.

RTLplus wiederum ist, sehr zum Ärger des Kirch/Springer-Konsortiums, mit einem Sender erfolgreicher beim Einsammeln der Werbung als Sat.1, Pro7 und Tele5 zusammen. Laut einer Untersuchung von Professor Jürgen Heinrichs von der Universität Dortmund kann RTLplus auf der einen Seite rund 42 Prozent des Zuschauermarktes der Privaten für sich verbuchen, auf der anderen Seite aber auch 50 Prozent des kommerziellen TV-Werbemarktes abschöpfen.

Die Springer/Kirch-Gruppe kommt dagegen mit den drei Sendern Sat.1, Pro7 und neuerdings Tele5 auf 56 Prozent der privatkommerziellen ZuschauerInnen. Und trotzdem bleibt dem Viererpack lediglich die restliche Hälfte des kommerziellen Werbemarktes. Mit diesen Zahlen läßt sich zumindest teilweise die aktuelle Konzentrationsentwicklung im TV-Markt, der Kauf von Tele5 durch Kirch/Springer oder die Gründung des Kabelkanals, erklären, nach dem Motto: Die Masse macht's. Gleichzeitig versuchen die Bertelsmänner mit Projekten wie RTL2 und Vox nachzuziehen.

Und so kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Monopolkommission zu dem Schluß, daß der bundesdeutsche Werbemarkt bis zum Jahr 2000 ausreicht, um vier Vollprogramme zu finanzieren sowie bis zu drei Spartenprogramme und bis zu drei Pay- TV-Stationen. Dagegen dürfte die Zukunft der Werbeeinnahmen von ARD und ZDF eher dunkel aussehen. Deshalb drängen sie auf die Aufhebung der Werbebeschränkungen. Da allgemein die Wirtschaftsdaten in der Bundesrepublik auf eine krisenhafte Entwicklung hindeuten, ist die Zukunft des Werbemarktes insgesamt aber ungewiß.

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