: Mutter, Mystik, Labyrinth
■ „Künstlerinnen im öffentlichen Raum“: Labyrinth-Performance in der City
Jetzt ist es schon wieder verschwunden, das flach über dem Boden markierte Labyrinth, das an diesem Wochenende den Hanseatenhof in einem mystisch-weihevollen Ort verwandelte. Zwischen C&A und Horten hatten 13 Künstlerinnen den Versuch gemacht, Bremens Gute-Stube-Innenstadt in einen mütterlich-matriarchalischen, weiblich-erdverbundenen, ganzheitlich raunenden Raum zu verwandeln. Es ist ihnen gelungen und — es war grauselig.
Ein Labyrinth ist kein unheimlicher Irrgarten, sondern ein langes, sich in Umwegen dem Zentrum näherndes Gangsystem und braucht die Bereitschaft zur Meditation und zu tiefgründigen Assoziationen. Die Künstlerinnen haben alles getan, um den symbolischen Gehalt des Labyrinthes (Mutter, Erde, Geburt, Tod, zyklische Bewegung, weibliche Weisheit, Natur, Ganzheit...) in Szene zu setzen, nur eines nicht: Sie haben nicht nachgedacht.
Zu Beginn der Labyrinth-Weihung, als die vier Musikerinnen des Streichquartetts „Frisch gestrichen“ — unter einer halbdurchsichtigen Plastikplane mit schönen bizarren Bewegungen einhermusizierten und sich an den Eckpunkten des zukünftigen Labyrinthes verteilten, schien eine eigenartig schöne und verheißungsvolle Stimmung zu entstehen, die keiner Rechtfertigung bedurfte. Die Tänzerin Janine Jaeggi, angetan mit einem grotesken Insektenkostüm, aus dessen Schwanz ein Hirse-Rinnsal die Gänge des Labyrinthes markierte, brachte anfangs sogar einen wohltuenden Hauch von Ironie in das rituelle Geschehen. Als aber dieser Tanz sich hin- und hinzog, als weißgekleidete Frauen mit weißen Stirnbändern unendlich langsam die blutroten Labyrinthbahnen auslegten und eine Urmuttererzählerin (Brigitta Wolf) ihren ebenfalls blutroten Plastikumhang feierlich ablegte und bedeutungsschwangere Urworte rief — da war das Maß einer Blut-und-Boden-Romantik derart übereich erfüllt, daß nur noch ein schauderndes Erschütteln blieb. Und: Erleichterung über das sonntagabendliche, unwiderrufliche Abfackeln des labyrinthischen Mystik-Misch-Masches.
Cornelia Kurth.
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