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Der Kanzler kommt, die Eier fliegen

Suhl (dpa) — Helmut Kohl ist am Samstag in Suhl (Thüringen) unmittelbar mit dem Unmut ostdeutscher Arbeitnehmer über den Zusammenbruch der Industrie und den Verlust Tausender Arbeitsplätze konfrontiert worden. Rund 1.000 Arbeitnehmer, die einem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gefolgt waren, empfingen Kohl bei seinem ersten Besuch in Ostdeutschland nach der parlamentarischen Sommerpause mit Pfiffen und vereinzelten Eierwürfen und verlangten eine „Wende zu einer sozialen Politik“. In einer Petition forderte der DGB die Entschuldung und Sanierung ostdeutscher Betriebe, eine Änderung des Prinzips Rückgabe vor Entschädigung und den Ausbau der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Kohl reagierte mit harscher Kritik an den Gewerkschaften, aber auch mit Gesprächsbereitschaft auf wütende Attacken der Demonstranten. Die Gewerkschaften müßten sich fragen lassen, ob ihre Tarifabschlüsse der Sicherung von Arbeitsplätzen dienten. Für viele, die jetzt demonstrierten, habe sich die bisherige Tarifpolitik beispielsweise der IG Metall als katastrophal erwiesen, sagte Kohl. Gleichzeitig stellte der Kanzler eine Belebung der Exporte nach Rußland in Aussicht. „Ich habe mit Jelzin am Telefon lange geredet, daß wir in diesem Jahr wenigstens auf ein Handelsvolumen von fünf Milliarden Mark kommen.“ Er lud Arbeitnehmervertreter nach Bonn ein, um konkrete Probleme Thüringer Firmen zu diskutieren.

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