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Einkaufen à la Rosalie

■ Ein Fall Visa: Im Kaufrausch mit Kreditkarte „den Überblick verloren“

Erinnern Sie sich noch an Rosalie? Die füllige amerikanische Hausfrau und Mutter einer großen Kinderschar jonglierte beim Einkaufen mit Kreditkarten, daß es eine wahre Freude war. Daß die Kreditkarten alle nicht gedeckt waren, bereitete ihr wenig Bauchschmerzen, denn sie hatte ja die vielen hungrigen Mäuler zu stopfen und wollte sich und ihrer Familie auch sonst kein Vergnügen verkneifen. Rosalie spielte geschickt auf der Klaviatur des bargeldlosen Zahlens, und je mehr Schulden sie machte, desto kreditwürdiger wurde sie.

Leider ist „Rosalie goes shopping“ nur ein Film, und im wirklichen Leben ist alles wie immer viel komplizierter. Zum Beispiel für Rüdiger N.: Im Juni 1989 beantragte er bei der spanischen Banco de Santander eine Kreditkarte und ging einkaufen: Kleider, Schuhe, ... auch ein Auto mietete er mit seiner Visa-Card. Im September erhielt er ein Schreiben, in dem ihm die Bank die Karte kündigte und ihn aufforderte, sie zu vernichten. Doch Rüdiger N. behielt die Karte und ging damit ein Jahr später nochmal einkaufen. Insgesamt hat Rüdiger N. mit der Karte Waren im Wert von 7.700 Mark erworben. „Ich war mir nicht klar darüber, daß das strafbar ist“, sagte Rüdiger N. dem Bremer Richter Mertens.

Der blätterte kopfschüttelnd in Ns Akten: 1985 ein Kredit über 18.000 Mark bei der Pacific Bank, dann ein weiterer Kredit bei der CC-Bank. Zweimal ist N. bereits wegen Ladendiebstählen veruteilt worden: beim zweiten Mal hatte er Wurst im Wert von 7,65 Mark gestohlen. Verschiedene Urteile und Strafbescheide konnten dem Angeklagten, der häufig den Wohnort wechselte, nicht zugestellt werden. „Gesucht wegen Aufenthaltsermittlung“ ist im Polizeiregister vermerkt. „Das geht ja alles recht merkwürdig zu, bei Ihnen“, sagt der Richter. „Ich habe mich immer ordnungsgemäß an- und abgemeldet“, entgegenet Rüdiger N.

„Wie wollten Sie das Konto denn ausgleichen, bei den Altschulden?“, will der Richter wissen. Rüdiger N.: „Es gab ja nichts Leichteres, als die Karte einzusetzen. Ich habe im Kaufrausch den Überblick verloren.“ Als er die Kreditkarte beantragte, habe er BaFöG bezogen und durch Gelegenheitsarbeiten Geld verdient. „BaFÖG und Nebentätigkeit“, wiederholt der Richter, „da mag ich ja gar nicht weiter fragen.“

Sieben Raten à 250 Mark hat der Angeklagte mit dem Faible für exotische und weit entlegene Kreditinstitute inzwischen an die spanische Bank zurückgezahlt. Doch als die Anklage erhob, hat Rüdiger N. die Zahlungen „aus Wut“ eingestellt. Jetzt zahlt er wieder und darum sieht der Richter für ihn auch eine „günstige Sozialprognose“. Die Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen „fortgesetztem Kreditkartenmißbrauch“ wird daher auf Bewährung ausgesetzt.

Ach Rosalie, wie schön einfach war es doch, mit dir in Amerikas Konsumtempeln shoppen zu gehen, und mit welch spitzem Bleistfit rechnen die Gerichte und Kreditanstalten der Wirklichkeit. Diemut Roether

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