KOMMENTAR: In die Menschen investieren
■ Arbeitslosigkeit: Berlin braucht unkonventionelle Ideen
Wer jetzt vor ABMlern davon spricht, daß der Markt es schon richten werde, macht sich lächerlich. Es ist bestenfalls die verzweifelte Hoffnung, daß ABM-Kräfte in den ersten, den offiziellen, Arbeitsmarkt hinüberwechseln werden. Das hat bereits in Jahren mit Wachstumsdynamik nur teilweise funktioniert, und bei der drohenden Talfahrt der deutschen Wirtschaft ist für derlei Glauben noch weniger Platz. Bereits jetzt sind die ABM-Projekte — mögen sie auch noch so sinnvoll sein — nur eines von vielen Instrumenten der Bundesregierung, die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen herunterzurechnen. Dabei steht die Wahrhaftigkeit der Bonner im Umgang mit den realen Arbeitslosenzahlen der Verlogenheit der DDR-Oberen in nichts nach. Vermutlich liegt die Zahl der Arbeitslosen in Ostdeutschland einschließlich der Vorruheständler, der Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen und in Kurzarbeit, der ABMler und der aus dem Arbeitsleben gedrängten Frauen bei 45 Prozent.
Wenn in Berlin bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit ein Viertel aller ABM-Stellen gestrichen werden sollten, ist das katastrophal. Will man verhindern, daß Menschen und insbesondere Jugendliche jede Hoffnung verlieren, sich selbst und ihre Familien durch eigene Arbeit ernähren zu können, sind deshalb radikal neue Wege einzuschlagen. Wo der offizielle Arbeitsmarkt nicht funktioniert, sollten auch Formen der Schattenwirtschaft toleriert werden. Diskutiert werden müssen zudem unkonventionelle Vorschläge: So will der FU-Politologe Grottian Arbeitslosen einen sogenannten rückzahlbaren »Arbeitsplatzkredit« geben, wenn sie sich damit bei einer Firma einkaufen können oder wenn sie realistische Konzepte für eine eigene Unternehmung entwickeln. Um soziale Konflikte zu vermeiden, kann nur eines gelten: Jeder Vorschlag ist zu begrüßen, der nicht in eine perspektivlose Arbeitslosigkeit, sondern in die Menschen investiert. Gerd Nowakowski
Siehe Bericht Seite 18
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