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Krisen unter der Kuppel - anmutschön

■ Die Hamburger Kunsthalle zeigt Werke des Bildhauers Olaf Metzel, der am liebsten mit der Flex arbeitet

zeigt Werke des Bildhauers Olaf Metzel, der am liebsten mit der Flex arbeitet

„Bombenstimmung neulich auf'm Zeltplatz...“: Angesichts der provokativen Installationen Olaf Metzels fällt es schwer, sich nicht in Wortspielen zu ergehen und sich nicht zurück zu begeben auf die Alltagsebene, aus der der in Berlin geborene Künstler seine Anregungen zieht.

Mag in einschlägigen Journalen noch eine abgehobene Debatte über „Vor- und Nachteile des Urlaubs in Krisengebieten“ geführt werden, so wird aus diesem Gedankensplitter bei Metzel die Installation Im Grünen. Diese macht in der Kuppel der Kunsthalle unmittelbar anschaulich, wie nah sich Freizeitabenteuer und Kriegskatastrophe kommen. Doch trotz so klarer Bezüge ist die Verspannung von modisch lindfarbigen Zelten mit militärischen Tarnnetzen nicht plakativ.

Die Evokation von Gewalt entsteht aus einer genau kalkulierten Bearbeitung fertiger Industrieteile zu einem mehrschichtigen Ganzen, das auch überraschend kunstschöne Anmutungen aufweist: Ein abstraktes Landschaftsgemälde über Rötelvorzeichnung scheint in die dritte Dimension explodiert.

Im Raum nebenan zeigt Olaf Metzel schon eher, was von ihm seit zehn Jahren erwartet wird: aggressiven Umgang mit anonymen Material. Sammelstelle ist ein vollständig mit verzinktem Wellblech ausgekleideter und mit diversen, auch glänzenden Abfallbehältern bestückter Raum, in den Bildhauer Metzel sein Bild gehauen hat: Durch Bearbeitung mit der „Flex“ wird Widerspruch gegen öffentliche Beschönigung von Entsorgung aller Art formuliert. Metzels Arbeiten sind destruktive Monumente, situativ und nicht für die Dauer bestimmt. Seine Konzepte wirken oft schnell wie eine spontane Demo, gleichzeitig sind sie nah am aktuellen Thema und immer politisch.

Schon weil seine Skulpturen fast immer genau verortet sind, fallen sie nach einiger Zeit meist der Zerstörung anheim. So blieben Zeichnungen, Modelle und Fotos von den bekanntesten Installationen: die in der streng katholischen Westfalenmetropole Münster 1987 bis auf die Ziegel in archaischen Zeichen aufgeschnittene Kapellenwand, das Treppenhaus der documenta 8 mit Eierpappen aus Beton oder die auf dem Berliner Skulpturenboulevard heiß umstrittenen, von der Szene aber liebevoll „Randaledenkmal“ genannten, aufgetürmten Absperrgitter.

Für Hamburg entstand 1986 Eichenlaub-Studie, eine teilzerstörte Vitrine mit Gipsköpfen für das Jenischhaus und auch die mit ausdrücklichem Bezug auf die Hafenstraße konzipierte Skulptur Wurfei-

1sen und Zwille von 1990; beide Arbeiten befinden sich schon länger im Besitz der Kunsthalle. Olaf Metzel verfremdet Gegebenheiten und Materialien und überführt sie in neue, oft irrationale, aber um so klarere Zusammenhänge. Das ist Dekonstruktivismus in seiner be-

1sten Form.

Dieser Künstler langweilt nicht mit Dokumentationen oder predigt Visionen, er gelangt durch handwerkliche Handgreiflichkeit zu einer genuin künstlerischen, jedoch keineswegs verschlüsselten, sondern unmittelbar evidenten Objekt-

1sprache. Mit dieser demontiert er den immer wieder ausgebreiteten schönen Schein der Konsumwelt, auf daß klar werde, daß wir alle eigentlich immer nur auf Urlaub im Krisengebiet sind. Hajo Schiff

Katalog samt Werkmonographie 30,- Mark, Ausstellung bis 8.11.

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