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URDRÜS KABARETTISTISCHES SINGSPIEL: Lob der Faulheit!

Ach, welch lustvolle Qual, ein Stück mit dem gemütlichen Titel „Lob der Faulheit“ arbeitsbrav ankündigen zu müssen! Tröstlich nur, daß die revolutionäre „Dorfbühne Walle“, repäsentiert von Musiker Jan Christoph, „Urdrü“ Ulrich Reineking-Drügemöller, Bühnenbildner Jürgen Hänel und einem frischgebackenen Ensemble, wochenlang komponierte, schrieb, baute und probte, und sich wacker den real existierenden Widersprüchen stellte, um die Faulheit in einem kabarettistischen Singspiel zu feiern.

„Wir wollen ja gar nicht den ganzen Tag in der Sonne liegen“, sagt Bühnenbildner Jürgen. Nein? Wirklich nicht? Protagonist „Jacko“ jedenfalls, genüßlicher Langzeitarbeitsloser und genialer Parzellenfaulpelz, folgt nur höchst widerwillig der Aufforderung des Arbeitsamtes, an einem „Motivationsseminar“ teilzunehmen. Und prompt spielt er dort auch den Mephisto und verführt die brave Dorette, nicht nur zum Liedchen „Mein Tag gehört der Sonne“, sondern auch zu einer geschickten Computermanipulation, um viele, viele bezahlte Arbeitslose zu schaffen. Lob und Preis der Faulheit.

Die kleine Parzellenprinzessin Anna Schi-Zo-Phren ist begeistert. Doretta verzichtet dramatisch auf einen Selbstmord. Ein Arbeitsamt-Sachbearbeiter, der in seinem tristen Büro heimlich seinen Traum, ein großer Clown zu sein auslebt, wankelmütigt in seiner Staatstreue. Alles könnte so schön werden! Aber der wütig- scheinheilige Rollstuhlfahrer, Katastrophenforscher und Ehemann Dorettes, Herr Meierdierks, droht zum gemeinen Verräter zu werden...

„Lob der Faulheit“ heißt nicht nur das Waller Stück, „Lob der Fauheit“ ist auch das Programm des Philosophen und Karl-Marx- Schwiegersohnes Paul Lafargue, der, auferstanden, die zehn „Puzzlestücke“ des Singspiels mit klugen Sprüchen verbinden wird.

Das „Kurorchester Gröpelingen“ spielt auf mit Schlagwerk Saxophon, Bass, Posaune und Piano, in der Bremer Angestelltenkammer, die, großzügig (und ahnungslos?) ein Stück zur „Flexibilität der Arbeitswelt“ in Auftrag gab. „Schon der einfache Besuch dieses Singspiels immunisiert für ein Jahr gegen alle Anfälle von Arbeitswut“ behauptet die „Dorfbühne Walle“. Glauben wir ihr! Gehen wir hin! Cornelia Kurth

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