: Nachtflugverbot droht zu fallen
■ Stuhr will festgelegte Zahl von nächtlichen Starts und Landungen akzeptieren
Das Nachtflugverbot für den Bremer Flughafen droht zu fallen. Zwar haben alle Bremer Beiräte um den Airport herum die Ausweitung des bisher auf die Zeit zwischen 6.30 und 22.30 Uhr beschränkten Flugverkehrs abgelehnt und auch die Fluglärmkommission mochte am Dienstag abend dem Flughafen lediglich für besonders leise Flugzeuge morgens und abends eine um eine halbe Stunde verlängerte Öffnungszeiten zugestehen, doch alle diese Gremien haben letztlich nur eine beratende Stimme, wenn Wirtschaftssenator Claus Jäger demnächst über die von der Flughafen GmbH beantragte Aufhebung des Nachtflugverbots entscheidet.
Eine Schlüsselrolle hat dagegen Stuhr. Denn die selbständige niedersächsische Nachbargemeinde des Bremer Flughafens kann nicht einfach übergangen werden wie die beratenden Bremer Gremien. Und aus Stuhr wurde dem Bremer Wirtschaftssenator bereits signalisiert, daß man womöglich auch mit einer generellen Ausweitung des Flugverkehrs auf die Zeit von 6 bis 23 Uhr und einer „insgesamt festzulegenden Anzahl von Flugbewegungen in der Zeit zwischen 23 und 6 Uhr“ einverstanden wäre. So steht es in einem bisher noch vertraulichen Beschluß des Stuhrer Planungsausschußes, der gestern abend im zuständigen Verwaltungsausschuß der Gemeinde noch den letzten Segen erhalten sollte.
Die Bremer Fluglärmkommission hatte am Dienstag noch einmal mit zwei medizinischen Gutachten belegt, daß jede Form von schlafstörendem Lärm langfristig zu Gesundheitsschäden führt. Daran ändere auch nichts, wenn — wie von der Flughafen GmbH beantragt — in der Nacht lediglich besonders leise Flugzeuge nach „Kapitel III“ eingesetzt werden dürften. Abgesehen davon, daß auch deren Lärmpegel zum Aufwecken der FlughafenanwohnerInnen ausreicht, hat sich in den konkreten Messungen am Bremer Flughafen herausgestellt, daß einige der im „Kapitel-III“ registrierten Flugzeuge sogar mehr Lärm verursachen als manch alter Donnervogel. „Besonders die amerikanischen Maschinen MD-80 und MD Super-82 liegen mit einer Lärmbelastung von 98 db weit über dem Standard moderner Flugzeuge wie dem Airbus 320 mit 82 db“, hat der Bremer Fluglärmbeauftragte Daglef Schriever herausgefunden, „da muß wohl bei der Zulassung getrickst worden sein.“ Noch Schlimmeres sei zu befürchten, wenn auch russische „Kapitel- III“-Flugzeuge einmal in Bremen landen sollten.
Und das muß nicht unbedingt Zukunftsmusik sein. Denn wenn ab 1. Januar 1993 das nationale Monopol auf den Flugverkehr fällt, könnten durchaus auch osteuropäische Fluggesellschaften versucht sein, mit Billigflügen über Bremen die hoffnungslos verstopften Großflughäfen zu umgehen. Daran wird auch der vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Bremer Startbahnverlängerung geschlossene „Stuhr-Vertrag“ nichts ändern. Darin wurde zwar eine rechnerische Gesamtobergrenze des Bremer Fluglärms festgelegt. Doch durch den langsamen Wegfall der ganz besonders lauten Uralt-Boeings ist in dieser „Fluglärmkontur“ allemal wieder Luft für einige Nachtflüge.
Keinen Grund zur Aufregung sah indessen gestern Flughafendirktor Manfred Ernst. „In konkreto“ hätten solche Befürchtungen doch keinerlei Bedeutung. Schließlich habe die Flughafen GmbH die Nachtflugerlaubnis lediglich für Bremens „Home Carrier“ beantragt, also für diejenigen Fluggesellschaften, die Flugzeuge in Bremen stationieren und warten. Neben der kleinen OLT ist dies zur Zeit lediglich das Charterflug-Unternehmen Hapag Lloyd. „Die fliegen nur mit modernen Boeings und Airbus“, versichert Ernst.
Die Ablehnung seines Antrags durch die Bremer Beiräte und die Fluglärmkommission trifft ihn nicht. Vor allem letztere habe doch eher einen „Nein,-aber-Beschluß“ gefaßt. Ernst: „Früher war da immer Kriegszustand, das ist jetzt schon völlig anders“. Tatsächlich hat sich die Kommission über den nüchternen Satz „Es wird gefordert, den Antrag abzulehnen“ hinaus drei Seiten lang Gedanken über mögliche Differenzierungen dieser Position gemacht. Und mit der von der Gemeinde Stuhr in Aussicht gestellten Zustimmung zu einer „festgelegten Zahl von Nachtflügen“ wäre Ernst sogar richtig glücklich.
Einen Termin für seine Entscheidung über das Bremer Nachtflugverbot wollte der für die Luftverkehrsaufsicht zuständige Wirtschaftssenator gestern nicht nennen. Dirk Asendorpf
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