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Erschreckende Berichterstattung

■ betr.: "Klaus Croissant als Stasi-Mann verhaftet", taz vom 16.9.92

betr.: „Klaus Croissant als Stasi- Mann verhaftet“, taz vom 16.9.92

[...] Die Berichterstattung durch Wolfgang Gast am 16.9.92 hat mich doch eher erschreckt. Nach Gast hatte sich Croissant „Ende der siebziger Jahre zunehmend mit seinen RAF-Mandanten politisch identifiziert“ und war deshalb wegen Aufbau eines verdeckten Informationssystems zwischen den Gefangenen wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden. Dies vermittelt den Eindruck, als ob hier eine ganz normale Verurteilung zugrunde liegt. Aus meiner Sicht bedarf es in diesem Zusammenhang doch zumindest des Hinweises darauf, daß der Aufbau dieses Informationssystems aus damaliger Sicht der Durchbrechung der Isolation der Gefangenen diente und insbesondere auch einer umfassenden Verteidigungstätigkeit. Auch heute läßt sich doch nicht leugnen, daß die Verteidigung einer politischen Gruppe stets auch deren Kontakt untereinander notwendig macht; die Notwendigkeit zwischenmenschlicher Kommunikation zur Durchbrechung der Isolation läßt sich hier ebenfalls nicht einfach vom Tisch wischen. In der Zeit des Deutschen Herbstes mit einer Gesetzgebung, die die Verteidigungsmöglichkeiten massiv einschränkte (Kontaktsperre, Mehrfachverteidigung, Paragraph 129a) und gleichzeitiger Medienhetze gegen alle damaligen Verteidiger von Mitgliedern der RAF, bedurfte es stets eines besonderen Engagements der Verteidigung. Der Kollege Croissant ist für seine Überzeugung der Notwendigkeit einer Informationsmöglichkeit zwischen den Gefangenen verurteilt worden. In dem Gesamtkontext ist dies ein politischer Prozeß gewesen und diente der Einschüchterung sämtlicher Verteidiger.

Und warum fragt sich Gast eigentlich nicht, weshalb dieser Kollege nunmehr unbedingt inhaftiert werden muß, weil der die taz, Grüne und die radikale Linke bespitzelt haben soll. Es ist doch grotesk, daß aufgrund dieses Vorwurfs Croissant inhaftiert wird und die taz dies nicht einmal zu einem kritischen Beiwort nötigt. Es drängt sich doch geradezu der Verdacht auf, daß diese Inhaftierung ein Rachefeldzug ist gegen einen noch immer unliebsamen Kollegen, der sich erst vor kurzer Zeit öffentlich zur Haftsituation der RAF- Gefangenen geäußert hat. Schließlich wird der Kollege Croissant für eine vorgeworfene Tätigkeit inhaftiert, die tagtäglich durch den bundesdeutschen Staatsschutz praktiziert wird.

Zuletzt fällt mir als Leser auf, daß die taz am 16.9.92 Auszüge aus einem Stasi-Bericht bringt, ohne die Quelle anzugeben. Ist die Zusammenarbeit zwischen der taz und den Staatsschutzorganen inzwischen so weit gediehen, daß im kleinen Dienstweg Ermittlungsberichte an die taz gelangen? Eine Kennzeichnung der Fundstelle ist in diesen Fällen sicherlich angebracht. Dies alles erübrigt sich auch nicht, wenn die Vorwürfe tatsächlich zutreffen. Dr.Axel Hagedorn,

Rechtsanwalt, Hamburg

Anm.d.Red: Die Quelle des Stasi- Berichts sind die Akten der Gauck- Behörde.

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