HEUTE DADA-LESUNG „Kühe auf Telegrafenstangen“

Blauer Dunst allethalben; die Luft kann man schneiden, der Lärm ist beträchtlich. In einer kleinen Kaschemme, vor einem Publikum aus Künstlern und Bohemiens baut er sich auf, Monokel im Auge, um den Mund ein ironisches Zucken. Mit einem Stöckchen aus spanischem Rohr zerfetzt er die Luft; im „Neger“- Rhythmus will er die Literatur in Grund und Boden trommeln: Zürich, Februar 1916. Richard Huelsenbeck im Cabaret Voltaire.

„Mit Witz, Licht und Grütze“ — das so betitelte Dada-Erinnerungsbuch Huelsenbecks hat die Edition Nautilus zum 100. Geburtstag des Autors neu herausgebracht, heute abend ist Lesung im Neustädter Cafe Paganini.

„Die Kühe sitzen auf den Telegrafenstangen und spielen Schach“ — mit solchen Versen, „Phantastische Gebete“ überschrieben, verblüffte Huelsenbeck am Ende des ersten Weltkrieges das Berliner Publikum. „Dada siegt, Dada lebt“, verkündete er 1919 im dadaistisch-revolutionären Zentralrat in Berlin. In chrakteristischer Überspitzung der politischen Parolen der Zeit formulierte er seine Forderung nach der „Einführung des simultanistischen Gedichtes als Staatsgebet“ oder nach der „sofortigen Regelung aller Sexuelbeziehungen im international dadaistischen Sinne durch die Errichtung einer dadaistischen Geschlechtszentrale“, gab 1920 den „Dada- Almanach“ heraus und ging auf Dada-Tournee.

Als Dada verdampfte, verabschiedete sich Huelsenbeck ins bürgerliche Leben, wurde Schiffsartzt und Reiseschriftsteller. M.R.

Lesung heute um 20.30 Uhr, Café Paganini, Erlenstraße