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Wo nur der Tau schwitzt

■ Das „Lob der Faulheit“ von Ulrich Reineking-Drügemöller hatte Premiere

„Im Garten Eden, ich weiß es genau / faulenzt ein jeder, schwitzt nur der Tau“ — wie war es schön, das „Lob der Faulheit“ gesungen und gepriesen zu sehen. Auch wenn es ein Donnerstag abend war, als die „Dorfbühne Walle“ sich in der Angestelltenkammer erstmalig präsentierte, und der Wecker am Morgen danach klingelte wie eh und je. Aber die über hundert ZuschauerInnen der Premiere werden es verzeihen, daß die Faulheitsrevolution nicht so schnell aufs wirkliche Leben übergreifen kann.

Es war eine Geschichte um Lust und Leid der Dauerarbeitslosigkeit, in einer so geschickten Mischung aus Ironie und Romantik, daß man das „Lob der Faulheit“ fast eine Tragikomödie nennen könnte. Wenn man nicht so viel hätte lachen müssen. Wenn die Musik vom sogenannten „Gröpelinger Kurorchester“ (Thomas Schwenen, Sabine Diepenbruck, Dago Gerdes, Morlow Möbes und Leiter Jan Christoph) nicht so zum Mitsummen eingeladen hätte. Und wenn nicht das ganze gut geendet hätte - trotz allem selbstmordnahem Elend der geplagten Hausfrau Dorette Meierdierks (tränenecht: Carmen Baar) und der beinahe-Aufdeckung eines Arbeitsamtsbetruges durch den Sachbearbeiter, den Clownskindkopf Bodo Hase (Boris Radivoj).

Und nicht zu vergessen: die Philosophie. Wolfgang Nitschmann spielte den dandyhaften Philosphen Paul Lafague, der, als Schwiegersohn von Karl Marx, wohl nicht umsonst auf die These von der „Pflicht zur Faulheit“ gestoßen war. Weise philosophierend und gut verständlich verband er die einzelnen Sequenzen des Stückes.

Ulrich Reineking-Drügemöller, Allround-Kabarettist, taz- Kolumnist und Sprachwitzmeister ist Autor und Regisseur von „Lob der Freiheit“. Und gab sich als Direktor der „Dorfbühne Walle“ aus, die entschiedene Konkurrenz zum Ernst-Waldau- Theater ankündigt. Dazu hat er sich KünstlerfreundInnen aus der Waller Szene zusammengesucht, die Bremer Angestelltenkammer als Sponsor gefunden und drei Hühner zu Schauspielern ausgebildet, wobei eins die Rolle eines Brathühnchen zu übernehmen hatte. Die anderen stolzierten volksnah zu Füßen des Publikums und eroberten nebenbei das Notenpult des Musikers und Komponisten Jan Christoph, der die Musik zum Stück schrieb. Spritzige und sanfte Songs, durchaus hitverdächtig (zumindest in Walle).

Die Hühner gehörten Jakko, dem lustigen, arbeitslosen Parzellenfreak, der schwul ist, Hasch raucht, seinen Garten pflegt und sich im „Motivationsseminar“ des Arbeitsamtes quält. Günter Lauenburger spielte diesen lustigen Gesellen, ein kleiner, zappellebendiger Mann, auch im Leben ein Freak, und so überzeugend in seinem verführerischen Faulheitslob, daß er sämtliche Personen des Stückes zum Arbeitsamtbetrug rumkriegt. Man möchte diesen Trick am liebsten vom Regisseur Reineking-Drügemöller erfragen.

Warum sollte er ihn nicht verraten? Warum nicht das Bindeglied von der Faulheits-Freiheit im Stück zu einer Faulheits-Freiheit im Leben herstellen. War doch die wallefreche Tochter von Dorette Meierdierks (Tina Baar) auch in Wirklichkeit Tochter der Schauspielerin. Wirkte doch der scheinheilige Schwächeanfall von Ehemann Meierdieks (Otfried Glaser) so realistisch, daß man den Anblick lachend kaum ertragen konnte.

Last not least aber hätte die verrückte Parzellenfreundin des Jakko, die süße Schi-zo-phren (Heike Staats), durchaus ein echtes Kind zur Welt zu bringen können. Auf der Bühne und ganz wirklich. Schi-zo-Phren Heike ist hochschwanger. Der Geburtstermin ist für kommenden Montag angesetzt. Und deshalb, leider, leider, können die nächsten Vorstellungen von „Lob der Faulheit“ erst Ende Oktober stattfinden. Cornelia Kurth

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