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Mehr Polizistinnen für die Stadt der gefallenen Engel Von Andrea Böhm

Manchmal überfällt einen der Fortschritt aus einer Ecke, an der man ihn überhaupt nicht vermutet hätte. Im Polizeipräsidium der Stadt Los Angeles zum Beispiel. Dessen jüngste Maßnahme darf man (vor allem frau) getrost als „revolutionär“, „historisch“, „richtungweisend“ bezeichnen. Oder sich sonst irgendeines dieser überstrapazierten Adjektive ausdenken. Die Polizei der Stadt Los Angeles will bis zum Jahr 2000 ihr Personal neu zusammenstellen: Aus den 14 Prozent Polizistinnen sollen in acht Jahren 44 Prozent werden. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: auf die Idee ist man im Präsidium nicht von allein gekommen. Der Stadtrat hat die Gesetzeshüter dazu verdonnert, weil er bei Durchsicht von Berichten unabhängiger Kommissionen feststellen mußte, daß eine wachsende Anzahl ihrer Beamten das Motto ihres Berufsstandes „To Protect And To Serve“ (Schützen und Dienen) aus den Augen verloren hat. Allein zwischen 1986 und 1989 mußte die Stadt an 103 ihrer Bürger mit vorwiegend dunkler Hautfarbe Entschädigungen von 15.000 Dollar und mehr bezahlen, weil die von ihrer Polizei weder beschützt noch bedient, sondern bis auf die Knochen verprügelt worden waren. Die Vermutung liegt nahe, daß dieses Problem etwas mit der ethnischen Zusammensetzung der Bürger und ihrer Polizei zu tun haben könnte. Die Bevölkerung der Stadt besteht zu 40 Prozent aus Latinos, 37 Prozent sind Weiße und 13 Prozent Schwarze. Im „Police Department“ stellen Weiße rund 60 Prozent, Schwarze rund 15 Prozent und Latinos 17 Prozent.

Der Stadtrat machte darüber hinaus eine weitere verblüffende Beobachtung: Anzeigen aufgrund von Übergriffen und Brutalität im Dienst und Geldstrafen gehen allesamt auf das Konto der männlichen Kollegen. Frauen nach vorne, dachte sich der Stadtrat.

Selbst erklärte Gegner der Emanzipation können vorerst nicht viel einwenden. Schützen und Dienen war schließlich immer schon Aufgabe der Frauen. Aber die Terminplanung bis zum Jahr 2000 ist natürlich Humbug. Um die Quote von 44 Prozent zu erreichen, dürfte die Polizeiführung in den nächsten vier Jahren nur Frauen zur Ausbildung zulassen. Der Aufschrei aus männlichen Kehlen, vor oder nach dem Stimmbruch, läßt schon jetzt das Parkett in den Gerichtssälen beben. Mögen Männer 2.000 Jahre lang nicht begriffen haben, was Diskriminierung ist — jetzt, 1992 in Los Angeles, wissen plötzlich alle, worum es geht. Der Stadtrat hofft, nicht nur den arg ramponierten Ruf des „Los Angeles Police Department“ wiederherzustellen, sondern in Zukunft auch einiges an Schadensersatzgeldern zu sparen. Wobei die Stadtväter und -mütter stillschweigend davon ausgehen, daß vier Polizistinnen einen Verdächtigen festnehmen können, ohne ihm Backenknochen, Fußknöchel und die Schädeldecke zu brechen, wie es vier Polizisten im Fall Rodney King getan haben; oder eine Drogenrazzia in einer Wohnung durchführen, ohne die Anwesenden durch ein Spalier schlagstockschwingender Cops laufen zu lassen. So geschehen bei einer Durchsuchung in einem schwarzen Viertel durch 70 Beamte. Für diese Art der Kriminalitätsbekämpfung mußte die Stadt 1990 drei Millionen Dollar Schadensersatz zahlen. In diesem Fall sind Frauen wirklich billiger.

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