piwik no script img

Maradona lohnt sich wieder

Diegos gelungenes Comeback nach 18 ballarmen Monaten  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) — 18 Monate lang hatte Diego Maradona seine beiden Töchter nicht unbeträchtlich genervt. Kaum begannen sie ein argloses Ballspiel, schon stand der Vater auf der Matte und weg war die Kugel. Glückselig und selbstvergessen ließ sie Diego auf dem Fuß tanzen, lupfte sie mit der Schulter in die Luft, verhalf ihr zu einem Tänzchen auf dem Kopf — die Kleinen guckten in die Röhre. Wenn er gerade nicht seine Töchter ihres Spielzeugs beraubte, verbreitete der wegen Kokaingebrauchs gesperrte argentinische Fußballkünstler Verlautbarungen über seine Zukunftsperspektiven, die sich diametral widersprachen, beschimpfte die FIFA oder Italien oder beide und bestritt einige Hallenturniere sowie Benefizpartien— zu wenig für einen, dessen liebster Stoff trotz mancher Abwege immer noch das Leder ist.

„Erst jetzt lebe ich wieder“, sagte der 31jährige Maradona daher vor seinem Comeback im Trikot des FC Sevilla am Montag abend gegen Bayern München. Nach zähen Verhandlungen hatte der SSC Neapel seinen einstigen Messias endlich laufen lassen, nun war alle Welt gespannt auf den ersten Auftritt des Weltmeisters von 1986 nach der langen Pause. „Ich habe in den letzten Monaten etwa 500 Asados gegessen und dabei zwölf Kilo zugenommen“, hatte der ballgewandte Rundling noch Anfang des Jahres erklärt, doch mit intensivem Training gelang es ihm in den letzen Wochen, die Pfunde herunterzudrücken.

Allein in Südamerika wurde die Partie von 22 Fernsehsendern live übertragen, und auch in Europa, Asien und Afrika fand das Spektakel reißenden Absatz. Maradona lohnt sich wieder. Mit diesem einen Match spielte der Auferstandene durch den Verkauf der Fernsehrechte und sonstige Marketingaktionen bereits die Hälfte seiner Ablösesumme von 7,5 Millionen Dollar ein. Der japanische Konzern Nintendo mietete allein für die Diego-Gala die Hemdbrüste der Sevilla-Spieler. Die Mitgliederzahl des FC Sevilla stieg nach der Verpflichtung des Argentiniers um einige tausend, rund zweitausend Leute verfolgten täglich sein Training, Exklusiv-Interviews ließ sich der geschäftstüchtige Ballmagier mit 20.000 Dollar entlohnen.

Da war es nur ein kleiner Schönheitsfehler, daß im Stadion, vermutlich aufgrund überhöhter Eintrittspreise, statt der erwarteten 70.000 nur knapp 30.000 Fans erschienen waren, die ihr Idol schon beim Warmlaufen mit begeisterten „Diego, Diego“-Chören feierten. Kurz nach 21 Uhr war es soweit. Diego Armando Maradona betrat mit der Nummer 10 auf dem Rücken seinen neuen Arbeitsplatz, und die Mitspieler schienen nur auf ihn gewartet zu haben. Sofort war er das Zentrum des Spiels, wurde immer wieder gesucht und zeigte sich trotz sichtlichen Übergewichts erstaunlich fit. Zur Überraschung aller hielt Maradona die gesamten 90 Minuten durch, hatte die immense Menge von fast 80 Ballkontakten, schlug einige exzellente Pässe, traf einmal per Freistoß die Latte des Bayern-Tores und bereitete zwei Treffer vor, darunter das 2:1 mit präzisem Außenrist-Rückpaß aus vollem Lauf, so daß der kroatische Torjäger Suker nur noch den Fuß hinhalten mußte.

Vor allem in der zweiten Halbzeit spielte Sevilla munter auf, was allerdings hauptsächlich daran lag, daß der Münchner Bruno Labbadia bereits in der 37. Minute wegen Reklamierens des Feldes verwiesen wurde. Danach hatten die Bayern, die durch einen 20-m-Freistoß von Olaf Thon in der 17. Minute in Führung gegangen waren, den Andalusiern nichts mehr entgegenzusetzen. Die Tore von Monjou (59./70.) und Suker (66.) sicherten den Gastgebern den 3:1-Sieg.

Viel wichtiger aber war, daß Diego seinen Ball wiederhatte. Die Töchterchen auf der Tribüne sahen es mit Wohlgefallen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen