: Die Weltbank torpediert sich selbst
■ 65 Milliarden Dollar Kredite an Entwicklungsländer können nicht ausgezahlt werden, 1.800 Projekte hängen fest/ Interne Untersuchung: Die Angestellten der Weltbank arbeiten „nicht besonders effektiv“
Washington/Berlin (taz/epd) — Auf Weltbankkonten liegen derzeit 65 Milliarden Dollar fest, die längst in Entwicklungshilfeprojekte hätten fließen sollen. Das geht aus einer internen Untersuchung hervor, die jetzt in Washington bekannt wurde. Danach schiebt die „Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“, so ihr Untertitel, seit Jahren rund 1.800 unerledigte Projekte vor sich her. Diese Projekte haben insgesamt ein Investitionsvolumen von 380 Milliarden US-Dollar, von denen die Entwicklungsländer selbst 240 Milliarden Dollar für Investitionen hätten aufbringen müssen. 140 Milliarden Dollar sagte die Weltbank zu, von denen besagte 65 Milliarden noch immer nicht ausgezahlt wurden.
Als Hauptursache für die Blockade der Milliarden nennt die Studie die Strukturanpassungsprogramme, welche teilweise die Weltbank und vor allem ihre Schwesterorganisation Internationaler Währungsfonds (IWF) den verschuldeten Entwicklungsländern verordnet haben. Daraus resultieren nämlich drastische Kürzungen in den öffentlichen Haushalten, die dazu führen, daß die Entwicklungsländer den Eigenanteil an den Weltbankprojekten (zumeist im Bildungs- und Sozialbereich) nicht mehr aufbringen können.
Ein weiteres Hindernis für schnelle Finanzhilfe ist auf den Lerneffekt in der Finanzinstitution zurückzuführen: Heute fördert die Weltbank sehr viel mehr Projekte, die auf Frauenförderung und Umweltschutz abzielen und bei denen außerdem die Bevölkerung in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden soll. Das macht das Projektdesign sehr viel komplexer als zum Beispiel die früheren von Umweltschützern heftig kritisierten Staudamm-Bauprojekte.
Die Untersuchung, die der im Oktober aus seinem Amt ausscheidende deutsche Weltbank-Vizepräsident Willi Wapenhans leitete, ist für die rund 7.000 Angestellten der Weltbank im übrigen wenig schmeichelhaft. Ihnen wird eine „relativ geringe Effizienz“ bescheinigt. Zudem stellten die Prüfer fest, daß die Weltbankbeschäftigten weit mehr Zeit für die Ausarbeitung neuer Projekte verwendeten als für die Überwachung laufender Vorhaben. Im Durchschnitt dienten von 52 „Mann-Wochen“ (Weltbankjargon) pro Jahr nur zwölf der Überwachung der Projekte, 27 Wochen dagegen der Projektvorbereitung. 13 Wochen entfielen auf Urlaub, Krankheit und Fortbildung.
Weltbank-Beschäftigte begründeten ihre geringes Interesse an der Projektüberwachung damit, daß man in der Weltbank nur mit neuen Projekten Karriere machen könne. Die Überwachung sei ein undankbares, vom Management nicht ernstgenommenes und der Karriere abträgliches Geschäft. Um vom Direktorium möglichst viele neue Projekte genehmigt zu bekommen, enthielten die Entscheidungsvorlagen oft lange Listen von Bedingungen, die als Klauseln in den Kreditvertrag aufgenommen würden. In der Praxis werde aber nur ein Bruchteil der Klauseln erfüllt.
Zur Lösung des Problems fällt der Gruppe um Willi Wapenhans allerdings nur ein, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Die gerade erst nach demokratischen Prinzipien gestalteten Projekte sollten künftig wieder einfacher gestrickt sein. Statt zahlreiche Klauseln in die Kreditabkommen aufzunehmen, solle die Weltbank die Projekte intensiver begleiten, empfehlen die Prüfer. Ein anderer Weg soll ausgerechnet darin bestehen, mehr Strukturanpassungsdarlehen zu vergeben — jene Form der Darlehen, die zu Beginn der Studie als Ursache für die Kreditblockade galten. dri
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