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Deutschlands Linke im Beißkrampf: In diesen Tagen scheiterte der Versuch, auf die Welle rassistischer Gewalt mit einer gemeinsamen Großdemonstration gegen Ausländerfeindlichkeit zu reagieren. Jetzt wird in Frankfurt am Main gleich zweimal protestiert: Für den kommenden Freitag rufen Gewerkschaften und Sozialdemokraten zur Demonstration auf, für den Samstag, den „Tag der deutschen Einheit“, Grüne und antirassistische Initiativen. Die Initiatoren schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Untedessen rufen auch Konservative wie Rita Süssmuth zu Aktionen gegen den Rassismus auf.

Die Rechte bombt— die Linke dividiert sich

Wir werden an diesem 3. Oktober — dem Tag der deutschen Einheit — der Welt zeigen, daß wir dieses Deutschland nicht den Rechtsradikalen, dem dumpfen Deutschland, überlassen.“ Mit diesen Worten rief der Frankfurter Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten, Dany Cohn-Bendit (Die Grünen), am vergangenen Freitag in Wiesbaden zur ersten bundesweiten Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit am kommenden Sonnabend in Frankfurt/Main auf. Eine „machtvolle Demonstration“ sollte es nach den Vorstellungen der Initiatoren — von den Grünen über zahlreiche Flüchtlingshilfegruppen bis hin zur Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten — werden. „Wir haben die Schnauze voll“, meinte auch Rupert von Plottnitz, Fraktionschef der Grünen im hessischen Landtag. Das „andere Deutschland“ müsse endlich ein „Zeichen demokratischer Gegenöffentlichkeit setzen“. Von Plottnitz richtete einen „dringenden Appell“ an die Sozialdemokraten, diese Demonstration zu unterstützen, denn am Tag der deutschen Einheit sollten „alle Demokratinnen und Demokraten“ auf der Straße ihren festen Willen bekunden, dieses Land „zu einem Land der Weltoffenheit und der Toleranz“ zu machen.

Nur vier Tage nach diesem Appell und nach zahlreichen Gesprächen zwischen Grünen und Sozialdemokraten auf Bundes- und Landesebene steht fest, daß es das angestrebte breite Bündnis gegen Rechts nicht geben wird. Weil der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seit Wochen für den 2. Oktober zu einer Massendemonstration gegen Sozialabbau in Frankfurt/Main aufruft, sieht er sich ebenso wie die Sozialdemokraten außerstande, seine Mitglieder nur einen Tag später erneut zu einer Demonstration in die Mainmetropole zu mobilisieren. Schließlich, so war aus dem Gewerkschaftshaus in der Wilhelm-Leuschner- Straße zu hören, habe man den Charakter dieser Demonstration gegen den schleichenden Sozialabbau aufgrund der aktuellen Entwicklungen kurzfristig um einen Aufruf auch gegen die grassierende Ausländerfeindlichkeit und das Wiederaufleben des Rechtsradikalismus erweitert. Was eine machtvolle Demonstration am symbolträchtigen Tag der deutschen Einheit all der Menschen aus dem linken und linksliberalen Spektrum hätte werden können, die nicht wollen, daß dieses Land zu einem „Hort für Rassisten, Ausländerfeinde, Neonazis und beifallklatschende ZuschauerInnen“ (Cohn-Bendit) wird, geht so am Wochenende zweigeteilt über die Bühne: Am Freitag werden Gewerkschaften und Sozialdemokraten auf die Straße gehen — am Sonnabend die Grünen und die parteiunabhängigen Organisationen und Initiativen.

Für Irene Katheeb vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten, die noch gestern vergeblich mit dem DGB verhandelte, ist dieses Ergebnis ein „elendes Elend“. Immerhin, so Katheeb, sei von den Gewerkschaften zugesichert worden, auf der Demonstration am 2.Oktober im Rahmen der Abschlußkundgebung zur Demonstration am 3. Oktober aufzurufen.

Für Herbert Leuniger, den Sprecher von Pro Asyl, ist die Tatsache, daß das auch von ihm gewünschte „breiteste Bündnis“ nicht zustande kam, dagegen „kein Beinbruch“. Seine Organisation habe schließlich beide Aufrufe — den des „Frankfurter Kreises“ für den 2. Oktober und den der Grünen für den 3. Oktober — gezeichnet. Leuninger: „Alles, was geschieht, ist von großer Bedeutung. Und vielleicht sind viele dezentrale Aktionen ja wichtiger als eine zentrale Demonstration.“ Allerdings bedauert Leuninger, daß nun der Eindruck entstanden sei, am Tag der deutschen Einheit demonstrierten nur noch die Grünen. Tatsächlich „haben doch zig Organisationen mit unterschrieben.“

„Stocksauer“ auf die SPD ist dagegen Jürgen Frömmrich vom Landesvorstand der hessischen Grünen. Bereits vor drei Wochen, so Frömmrich zur taz, habe er sowohl mit Heidemarie Wieczorek- Zeul als auch mit dem hessischen SPD-Landesvorsitzenden Norbert Schmidt gesprochen und für ein breites Bündnis geworben — „und bis heute bin ich hingehalten worden“. Die SPD solle offen sagen, daß sie sich einem solchen Bündnis aus parteitaktischen Gründen und mit Blick auf den Bundesparteitag verweigere. Dabei, so Frömmrich, gehe es bei der Demonstration nicht um den Artikel 16 Grundgesetz, sondern um den Artikel 1: „Die Würde des Menschen — und nicht nur des Deutschen — ist unantastbar.“

Gegenüber der taz wies Gernot Krumbach vom Bezirksvorstand der SPD Hessen-Süd die Vorwürfe zurück. Offiziell seien die Sozialdemokraten erst vor einer Woche von den Grünen schriftlich in Kenntnis gesetzt worden. Krumbach: „Unsere Position war die, daß wir sowohl den DGB als auch die Grünen aufgefordert haben, sich auf einen gemeinsamen Termin zu verständigen — doch das hat offenbar nicht geklappt.“ Im Bezirksvorstand gebe es jetzt Überlegungen, zu beiden Demonstrationen aufzurufen. Doch das wolle man zuerst mit dem DGB- Landesvorsitzenden Jungmann und mit Dany Cohn-Bendit besprechen. Möglich sei auch noch, so Krumbach, daß Jungmann auf der Kundgebung am Sonnabend rede — und im Gegenzug der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Ignaz Bubis, der von den Grünen als Redner gewonnen werden konnte, auf der Gewerkschaftsdemo spreche.

Daß die Grünen in ihrem Aufruf allerdings explizit zum „Einsatz für den Erhalt des Artikels 16 GG“ auffordern, ist schon Cohn-Bendit sauer aufgestoßen. Dem angestrebten Bündnis mit den Sozialdemokraten sei die Aufnahme dieser Passage in den Aufruf nicht „dienlich“, meinte der Multikulti-Dezernent. Laut Frömmrich sei die Passage „dem Bundesvorstand geschuldet“ gewesen. Aber die Sozialdemokraten hätten ja mit einem eigenen Aufruf zur gemeinsamen Demonstration mobilisieren können. Klaus-Peter Klingelschmitt,

Frankfurt/Main

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