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Angola genießt seine Wahlen

Erster Tag der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen/ Schwierige Prozeduren/ Unita- und MPLA-Armeen jetzt offiziell aufgelöst  ■ Aus Luanda Bettina Gaus

Die Straßen der angolanischen Hauptstadt Luanda sind wie leergefegt. Selbst in den Seitenstraßen der dichtbevölkerten ärmeren Wohnviertel sind allenfalls ein paar spielende Kinder zu sehen — ihre Eltern warten zu Tausenden vor den Wahllokalen, die in Schulen, Fabriken und anderen öffentlichen Gebäuden errichtet worden sind. Sie müssen lange in der glühenden Sonne stehen: Quälend lange dauert der Prozeß der Stimmabgabe, in den möglichst viele Sicherheitsmaßnahmen eingebaut sind. Junge Männer und Frauen in weißen T-Shirts mit aufgedruckter blauer Taube überprüfen Wahlausweise, vergleichen Namen mit ihnen vorliegenden Listen, nehmen Fingerabdrücke, erklären die Wahlzettel.

Eine alte Frau, gehbehindert, schleppt sich langsam von der Wahlkabine mit den grauen Plastikwänden zu den versiegelten Urnen. Die Zettel, auf denen sie Partei und Präsidentschaftskandidat angekreuzt hat, trägt sie offen in der Hand. Ein junger Wahlhelfer, zwei Meter von ihr entfernt stehend, bedeutet ihr, die Papiere zu falten. Sie versteht nicht, will ihm die Zettel überreichen. Erschrocken wehrt er ab. Verwirrt bleibt die alte Frau stehen, unsicher und hilfesuchend schaut sie sich um. Alle stehen gebannt — endlich begreift sie: Sie erreicht die Urnen — und versucht vergeblich, sie zu öffnen. Hastige Abwehr der Organisatoren aus sicherer Entfernung, neuer Schrecken für die Wählerin. Als endlich der Schlitz gefunden ist, malt sich draußen auf allen Gesichtern gelöste Erleichterung.

Bei den Wartenden draußen vor der Tür macht sich unterdessen Ungeduld breit. Internationale Beobachter werden aggressiv bedrängt: Der Urnengang habe nicht, wie vorgesehen, um sieben Uhr morgens begonnen, sondern erst weit später. Aber immerhin: Von Fälschung ist hier nicht die Rede.

Rund 600 Beobachter aus aller Welt sollen darauf achten, daß bei den ersten freien Wahlen in der Geschichte Angolas alles mit rechten Dingen zugeht. Die große Angst: Der Verlierer der Wahlen könnte den Ausgang des Urnengangs nicht akzeptieren.

Die ehemalige Rebellenorganisation Unita — deren Führer Jonas Savimbi der einzige Kandidat ist, der dem angolanischen Präsidenten Eduardo dos Santos und seiner Regierungspartei MPLA den Sieg abjagen könnte — hat hier schon den Boden bereitet: Am Vorabend der Wahl wurde auf einer Unita- Pressekonferenz erklärt, logistische Schwierigkeiten würden vermutlich eine Verlängerung der Wahl erforderlich machen, die eigentlich am Mittwoch abend zu Ende gehen soll. Immerhin: Auch Unita-Vertreter haben versprochen, sich dem Urteil der UNO- Beobachter zu beugen, die zu entscheiden haben, ob die Wahlen tatsächlich fair und frei gewesen sind.

Wenige Stunden vor Wahlbeginn ist wenigstens ein großer Schritt zur Befriedung getan worden: Die einstmals feindlichen Armeen gelten nun als offiziell aufgelöst. Die Generäle Franca N'Dalu (MPLA) und Arlindo Cehnda Pena (Unita) wurden Seite an Seite als neue Oberbefehlshaber einer nunmehr gemeinsamen Armee vereidigt. „Es kann ja sein, daß es alte Kämpfer gibt, die weiter streiten wollen“, sagt ein Hotelmanager auf dem anschließenden Empfang. „Aber das Volk hat genug vom Krieg. Endgültig.“

Der Augenschein gibt ihm recht. Auf den mit Unrat und Schmutz übersäten Straßen der Hauptstadt mit ihren heruntergekommenen Häusern, die von der ruinierten Wirtschaft und dem langen Krieg zeugen, sind nur wenige bewaffnete Uniformträger zu sehen, behindern kaum Straßensperren den Weg. Mindestens in Luanda scheint die Bevölkerung den 16 Jahren Bürgerkrieg den Rücken gekehrt zu haben.

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