piwik no script img

Treuhand: Mit Kampfpreisen auf die Westmärkte

■ Treuhand-Präsidentin Breuel droht der Westindustrie/ Defizite 1993 nach Plan

Berlin (taz) — Mit Kampfpreisen sollen sich die Treuhand-Betriebe die Westmärkte erschließen. Das drohte Präsidentin Birgit Breuel gestern der westdeutschen Wirtschaft bei der Vorlage des Treuhand-Finanzplans für 1993 an. Wie in diesem Jahr soll das Defizit 1993 wieder 30 Milliarden Mark betragen. Die Anstalt hofft auf Einnahmen von elf Milliarden Mark, größtenteils aus Verkäufen von Immobilien, und rechnet mit 41 Milliarden Mark Ausgaben. Auch die neuen 30 Minusmilliarden wird die Treuhand als Kredite aufnehmen müssen. Mehr als ein Drittel des Treuhand-Defizits (1993: 38 Prozent) macht bereits der Schuldendienst für die bisher aufgenommenen Kredite aus.

Nachdem von den Märkten der GUS nichts mehr zu erwarten sei, bleibe den Unternehmen in Ostdeutschland nichts anderes übrig, als im Westen Absatzmöglichkeiten zu finden, sagte Breuel. Die Westmärkte hätten sich in der derzeit auch für westdeutsche Firmen schwierigen Lage abgeschottet und „riesige Barrieren“ gegenüber Marktneulingen errichtet, die jetzt mit Kampfpreisen genommen werden sollen. Es gebe aber eine Vielzahl von Ostbetrieben, z.B. im Maschinenbau, die „westmarktfähige Produkte“ herstellten.

Insgesamt wird die Treuhandanstalt über die Zeit ihres Bestehens einen Schuldenberg von 250 Milliarden Mark auftürmen. Der besteht aus Defiziten von 24 Milliarden für 1990 und 1991, je 30 Milliarden für 1992, 1993 und 1994 sowie der Übernahme von Altschulden in Höhe von 80 Milliarden. Hinzu kommen weitere Forderungen von 50 Milliarden Mark.

Sowohl Privatisierung als auch Sanierung würden eben viel Geld kosten, sagte Birgit Breuel. Es sei dabei „völlig absurd“, die Kosten beispielsweise der Werften-Privatisierung auf die Zahl der Beschäftigten umzurechnen: Ein Großteil der Kosten seien Altschulden aus DDR-Zeiten — wofür die Arbeitnehmer nichts könnten.

Gleichzeitig warnte die Treuhandchefin vor ständigen Einmischungen der Politiker in ihre Geschäfte. „Wir sind nicht die Ersatzkasse der Einigung“, meinte sie. Wer Firmen der Treuhand ständig neue Aufgaben aufhalsen wolle, solle gleichzeitig das dafür notwendige Geld auf den Tisch legen. Es sei eminent wichtig für die Anstalt, ihre Glaubwürdigkeit gerade gegenüber ihren Kreditgebern zu erhalten. Das Problem fehlender Märkte könne man schließlich nicht einfach mit Geld wegbezahlen, sagte Breuel mit Blick auf die Entscheidung, daß Freitaler Edelstahlwerk weiterzubetreiben. dri

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen