: Wenn der Landesherr Recht spricht
■ Wer darf in der Innenstadt einen Stand aufbauen? / Der Ermessensspielraum der Behörden / Nachrichten aus dem Amt für Zauberei und Verwaltungsmagie
? / Der Ermessensspielraum der Behörden / Nachrichten aus dem Amt für Zauberei und Verwaltungsmagie
Peter ist Schmuckhändler. Er verkauft viele Sorten von Schmuck, Armbänder und Ohrringe, Kupfer und Silber, alles im wesentlichen selbst hergestellt. Mit seiner Reisegewerbekarte macht er dies in allen Städten der Bundesrepublik. Eigentlich gibt es da auch überhaupt keine Probleme, wenn nicht das Bezirksamt Hamburg-Mitte wäre. Denn für jeden Schmuckstand muß eine Sondernutzungserlaubnis beantragt werden.
Sicherlich kostet diese auch in anderen Städten Geld, doch in der Regel wird sie ohne Probleme erteilt. In Hamburg hingegen behauptet das zuständige Bezirksamt Mitte, es sei kein Platz für Schmuckhändler. Alle geeigneten Plätze seien bereits mit anderen Händlern belegt. Man könne auch keine Ausnahme machen. Denn eine einzige Ausnahme ziehe — wegen des Gleichheitsgrundsatzes — eine Kette von Genehmigungen nach sich. Dies könne das Stadtbild erheblich verschandeln.
Peter legt über seinen Anwalt gegen den ablehnenden Bescheid beim Bezirksamt Widerspruch ein. Die Sache wurde dann einige Monate später vor einem Widerspruchsausschuß verhandelt. Peter und sein Anwalt merkten sehr schnell, daß hier nicht viel zu holen ist. Der Vorsitzende des Ausschusses führte das Wort, und zwei zu
1Beisitzern bestimmte Rentner waren still. Peters Anwalt versuchte daraufhin, einen Vergleichsvorschlag zu entwickeln. Diesen Vorschlag wies nicht nur die Gegenseite, also das zuständige Bauamt, zurück, auch der Ausschußvorsitzende erklärte ihn für nicht praktikabel. Denn, so der rührige Oberregierungsrat, man könne hier nichts Festes beschließen. Alles, was in dieser Sache entschieden oder beschlossen werde, müsse „erst im Hause abgeglichen werden“.
Auf die Frage, ob denn auch eine — theoretisch ja mögliche — positive Entscheidung des Widerspruchsausschusses erst im Hause abgeglichen werden müsse, erklärte der unparteiische Oberregierungsrat, selbstverständlich müsse das bei einer so brisanten Sache so sein. Auf die Frage von Peters Anwalt, was denn so ein Abgleich bedeute, erklärte der Oberregierungsrat, es könne sein, daß der Herr Bezirksamtsleiter die Sache an sich ziehe und eine getroffene Entscheidung kassiere.
Auf die Frage, ob denn alle Entscheidungen der Widerspruchsausschüsse dem Bezirksamtsleiter vorgelegt werden müßten, erklärte der Oberregierungsrat, er wisse schon, bei welchen Sachen dies notwendig sei. Und aus diesem Grunde sei in dieser Sache auch nicht gleich mit einer Verkündigung am Schluß der Sitzung zu rechnen. Auf die Frage, ob die Entscheidung über eine Vorlage an den Herrn Bezirksamtsleiter denn vom Ausschuß gemeinsam oder vom Ausschußvorsitzenden allein getroffen werde, erklärte der mutige Oberregierungsrat, dies entscheide er als Vorsitzender gemäß hausinterner Richtlinie.
Hier wird deutlich, daß Bürgerbeteiligung immer nur dann gewollt ist, wenn die beisitzenden Bürger auch funktionieren. Beischläfer sind willkommen, eigene Meinungen unerwünscht. Und wenn mal was schiefgeht — z.B. zwei mutige Beisitzer den Vorsitzenden überstimmen — so bedarf es nicht eines normalen Rechtsmittels, um diese Entscheidung anzufechten. Nein, der Landesherr kommt und kassiert die Entscheidung. Basta.
Das nun angerufene Verwaltungsgericht macht sich die Sache auch sehr einfach. Das Bezirksamt habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Der Rechtsstreit dauert vor dem Oberverwaltungsgericht an. Der Ausgang ist sehr fraglich. Das Gericht möchte sich eine Entscheidung ersparen, es forderte Peter auf, aus Kostengründen die Berufung zurückzunehmen. Justus
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