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Constant Craving

■ k.d. lang kommt auf Kurztournee

k.d. langs Leinwanddebüt „Salmonbarries“ vor knapp einem Jahr stellte das schauspielerische Potential der ehemaligen Performance- Künstlerin aus Kanada nicht gerade heraus. Strenggenommen gelang Regisseur Percy Adlon nur eine Szene, die wirklich gut war — nicht bloß „gut gemeint“. Da steht lang (die sich stets klein schreibt) als aufdringlicher Eskimo-Bursche mit autistischen Zügen zwischen den Bücherregalen der von ihr verehrten Bibliothekarin (Rosel Zech) herum. Ein schneller Schnitt, und siehe da: Der vermeintliche Bub ist — nackt wie wer immer sie schuf — eine Frau.

Anders als David Bowie, Boy George oder Annie Lennox hat die Musikerin k.d. lang aus ihrer androgynen Erscheinung nie pop-politisches Kapital zu schlagen versucht. Und das Musik-Establishment der Country-Metropole Nashville ist auch längst nicht mehr so reaktionär, wie das aufgeklärte mitteleuropäische Klein-Fritzchen sich das gemeinhin vorstellt. Trotzdem stiftete langs unentschiedenes, wenn auch nicht geschlechtsloses Image in einer sonst klar definierten Country-Welt Verwirrung, zumal sie ihre Neigung zum eigenen Geschlecht nie dementiert hat. Hinzu kam, daß lang als überzeugte und nicht gerade mundfaule Vegetarierin die mächtigen Viehbarone in einigen US-Bundesstaaten aufbrachte. Resultat: Die Sängerin wanderte — diktiert vom angedrohten Werbegeldentzug des wichtigen Industriezweigs— auf die „schwarze Liste“ etlicher Radiostationen. Eine ziemlich lächerliche Strafexpedition, fanden ihre Songs doch schon vorher kaum ein Plätzchen auf den Playlists des engstirnigen US- Country-Radios.

Nicht nur hierin dem Blues eng verwandt, ist Country der herausforderndste, weil vordergründig simpelste Populärmusikzweig überhaupt. Wenn k.d. lang heute sagt, sie sei mit Country „so weit gegangen, wie ich gehen konnte“, trifft sie den Nagel in eigener Sache auf den Kopf. Auf ihrem Album „Shadowland“ schwelgte sie 1988 unter der Regie des Produzenten- Oldies Owen Bradley hemmungslos im Neoklassizismus — und erfüllte sich en passant langgehegte Kindheitsträume, wenn sie beim „Honky Tonk Angels' Medley“ gemeinsam mit einer Women's-Lib- Country-Koryphäe wie Loretta Lynn hinterm Mikro stand. Auf „Angel With A Lariat“ (1987) und ihrem bisherigen Meisterwerk „Absolute Torch & Twang“ (1989) balancierte k.d. lang hingegen auf einer verschwindend dünnen Linie zwischen der Ironie, mit der eine Kanadierin aus der Distanz die US-amerikanische Volksmusik schlechthin aufs Korn nimmt, und dem Respekt und der Liebe, die mann/frau einem Genre einfach entgegenbringen muß, das Künstler wie Johnny Cash, Willie Nelson oder auch langs erklärtes role model Patsy Cline hervorbringen konnte. Bezeichnend, daß dieser halsbrecherische Akt hierzulande kaum goutiert wurde, wo man es sich mit Country-Musik in der Regel ganz fürchterlich einfach zu machen pflegt und Dumpfbacken a la Truck Stop als einsames Aushängeschild gehandelt werden.

Country, sagt lang jetzt, sei „wie eine Beziehung“ für sie gewesen. Danach kommt der Trennungsschmerz. Auf ihrem aktuellen Album „Ingenue“ hat sie sich tatsächlich vom reinen Country verabschiedet. „Save Me“ fleht lang gleich zum Auftakt. Ein freundlich-verzweifelter Tenor dominiert das ganze Werk. „Ingenue“ handelt nicht so sehr von Liebe als von ihrer Fiktion und dem unstillbaren Verlangen, sich dieser doch immer wieder ausliefern und unterwerfen zu wollen. Folgerichtig schließt das Album mit dem Titel „Constant Craving“ — der ewigen Suche im durchaus radiotauglichen Gewand. Nur Ignoranten, die beim Klang einer Pedal-Steel-Gitarre (die hier noch spärlich auftaucht) gleich ihre Vorurteile reaktivieren, werden „Ingenue“ in die bequeme Schublade „Country“ packen wollen. Ich bin manchmal fast geneigt, auf „Chanson“ zu plädieren, wäre dieser Begriff nicht so abgedroschen und frankophil besetzt. Selten bloß schrammt k.d. lang mit opulenten Arrangements, die ihre Stimme unnötig ins Pathos treiben, haarscharf am Kitsch vorbei; fast wünscht man sie sich dann wieder als „Hoppla, jetzt komm' ich“- Country-Sirene. Doch der Zug ist wohl abgefahren, und das ist auch besser so. Mögen Ignoranten nach wie vor von „schrägem Country“ (Hamburger Morgenpost) faseln, k.d. lang bleibt — zwischen den Stilen — auch musikalisch androgyn. Jörg Feyer

Heute in Berlin (im Metropol), morgen in Düsseldorf.

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