Porträt: Fremde Heimat
■ Politisches Engagement durch den eigenen Lebensweg im Exil: Walter Saller porträtierte Bahman Nirumand
„Aus einem tief empfundenen Humanismus heraus habe ich immer versucht, gegen die Diktatur zu kämpfen.“ Dieses Bekenntnis zum Widerstand mußte der 1936 in Teheran geborene Schriftsteller und Journalist Bahman Nirumand gleich doppelt einlösen. Zweimal wurde ihm das Vaterland zur Fremde — eine Erfahrung, die ihn tief und nachhaltig prägte.
Bahman Nirumand studierte in München, Tübingen und Berlin Germanistik, Philosophie und Iranistik. 1960 kehrte er nach Persien zurück, wo er an der Universität Teheran vergleichende Literaturwissenschaft lehrte. Dem Regime des ebenso prunksüchtigen wie despotischen Schahs Reza Pahlewi war der junge Dozent bald ein Dorn im Auge. Und so mußte Nirumand 1965, während die internationale Presse bevorzugt neue Geschichten à la 1001 Nacht über den Pfauenthron ersann, auf der Flucht vor den Häschern des berüchtigten persischen Geheimdienstes zum ersten Mal seine Heimat verlassen. Er kam in die Bundesrepublik, wurde als Flüchtling anerkannt.
Nach 14 Jahren im Exil kehrte er 1979 nach Persien zurück. Er erlebte den Sturz des Schahs und die Rückkehr von Ajatollah Chomeini, den das Volk begeistert wie einen Messias empfing. Doch der messianische Wahn mußte bald einer martialischen Wirklichkeit weichen. Der Frühling der Freiheit war nur allzu kurz. Bahman Nirumand
Die Mullahs wollten die Macht. Und sie nahmen sie sich: Aus Persien wurde der „Gottesstaat Iran“. In seinem 1985 erschienenen Buch: „Iran — hinter den Gittern verdorren die Blumen“, setzte sich Nirumand auf sehr persönliche Weise mit dieser Zeit auseinander. In Reiseberichten, Tagebuchfragmenten, Gesprächen und Analysen versuchte er, Erklärungen zu finden für die anfängliche Faszination Chomeinis, seinen Aufstieg und die zunehmende Unduldsamkeit und Gewalttätigkeit seiner Anhänger. Er suchte aber auch Antworten darauf, warum viele Linke anfangs auf seiten der Mullahs kämpften, nur um schließlich selbst verfolgt und grausam unterdrückt zu werden.
Bereits wenige Monate nach der islamischen Revolution mußte Nirumand abtauchen. Als Vorstandsmitglied der Nationaldemokratischen Front arbeitete er innerhalb der demokratischen Opposition gegen die Religionsfanatiker. 1981 gelang ihm die Flucht aus dem Iran. Zum zweiten Mal verließ er die Heimat. Er ging zunächst nach Paris ins Exil, 1983 dann nach Berlin.
Mit seinen Arbeiten blieb er dem Iran nahe und setzte sich mit aktuellen Entwicklungen im Gottesstaat von Chomeinis Gnaden auseinander. In Büchern wie „Iran — Irak. Bis die Gottlosen vernichtet sind“ mit dem ersten Golfkrieg. Oder — gemeinsam mit Keywan Daddjou — in „Mit Gott für die Macht. Eine politische Biographie des Ajatollah Chomeini“ mit der Frage, wie der greise Fanatiker zum Messias der islamisch-fundamentalistischen Neuorientierung einer ganzen Gesellschaft werden konnte. In „Leben mit den Deutschen. Briefe an Leila“ gab er dagegen einen sehr unmittelbaren Einblick in das Verhältnis von Deutschen und Ausländern.
Dem Verhältnis zwischen Ausländern und Deutschen widmet sich Nirumand heute auch in offizieller Funktion. Denn seit kurzem ist er Geschäftsführer der kommunalen AusländerInnen- Vertretung der Stadt Frankfurt/ Main. Dieses sogenannte „Ausländerparlament“ wird von den AusländerInnen Frankfurts gewählt und besitzt beratende Funktion für Stadtparlament und städtische Gremien.
„Mein inneres Anliegen“, so Nirumand, „ist es, Brücken zu schlagen zwischen den Kulturen. Zwischen allen Kulturen. Jetzt habe ich sozusagen die amtliche Möglichkeit dazu.“ Das in Frankfurt Erreichte indes ist für ihn nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. „Dieses ,Parlament‘ ist notwendig. Beileibe aber nicht ausreichend. Selbstverständlich muß als nächstes das kommunale Wahlrecht für AusländerInnen, dann das allgemeine Wahlrecht verwirklicht werden. Es gibt eine Reihe von Politikern, die zwar einer Integration das Wort reden, aber Unterwerfung meinen. Für eine Annäherung sind jedoch gleiche Rechte und nicht Unterwerfungsgesten Voraussetzung.“
Wie steht es mit Nirumand selbst? Ist ihm, dem das Vaterland zweimal zur Fremde wurde, denn die Fremde nun zur Heimat geworden? „Eine schwierige Frage in den Zeiten von Hoyerswerda und Rostock. Die Entwicklung nach rechts gibt zu großen Befürchtungen Anlaß. Der Weg von Rostock nach Auschwitz ist nicht sehr weit. Ich möchte dabei keineswegs behaupten, daß sich Geschichte einfach wiederholt. Aber ähnliche Ursachen legen ähnliche Wirkungen nahe. Besonders schlimm an den jüngsten Vorfällen sind nicht in erster Linie die Skins. Schlimm sind vor allem die Unterstützung durch Teile der Bevölkerung, das seltsame ,Verständnis‘ so mancher Politiker.“
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