Die Geschäfte des Herrn „Gigi“ Zulier

Tausende von Sinti und Roma wurden von ihrem „Bruder“ Zulier um Hunderttausende von Mark geprellt/ 4.000 enttäuschte Sinti und Roma fordern in Kusel ihr Geld zurück  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Kusel (taz) — „Von mir aus könnten die jede Woche kommen.“ Der Tankstellenpächter an der B 420 im rheinland-pfälzischen Kusel macht „Superumsatz“, seit zu Wochenbeginn Tausende von Sinti und Roma mit ihren spritfressenden Daimlern in den zwischen der Grenze zum Saarland und dem US-Flugzeugträger Ramstein liegenden Landkreis gekommen sind. Und auch die Bäcker, weiß Landrat Wilfried Hirschberger (SPD), kämen mit dem Brötchenbacken nicht mehr nach.

Im Lagezentrum von Polizei und Kreisverwaltung, im Landratsamt von Kusel, hängt Polizeihauptkommissar Rudi Gerhardt pausenlos am Telefon: „Nein, Herr Winterstein, bleiben Sie mit Ihrer Sippe in München. Es gibt kein Geld — und die Winter in der Pfalz sind hart.“ Aus allen Regionen der Republik und dem benachbarten Ausland rufen die Sinti- und Roma-Sippenältesten an, um zu erfahren, ob es sich noch lohnt, in die pfälzische Kleinstadt aufzubrechen.

Rund 4.000 Sinti aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Norwegen und polnische Roma haben bereits seit Dienstag ihre Lager im Landkreis Kusel aufgeschlagen, um die Zinsen für ihr an den Sinto Karl-Josef Zulier verliehenes Kapital einzustreichen. „Gigi“ Zulier hatte den Mitgliedern zahlloser Sippen Zinsen von bis zu 30 Prozent versprochen — für Kapitaleinlagen zum Aufbau einer Autohauskette im Südwesten der Republik. Auf einem Wiesenstück in der Nähe von Kusel, das die Kreisverwaltung auf eigene Kosten vom Bund gemietet hat, um die Roma und Sinti aus der Stadt herauszuhalten, sollte gestern in einem Baucontainer die Zinsauszahlung über die Bühne gehen. Immerhin hatten die Kapitalgeber dem Ex-Dachdeckergesellen Zulier zusammen rund 200 Millionen Mark geliehen. Doch schon am Mittwoch war klar, daß Zulier nicht würde zahlen können. Vor der Kripo in Kaiserslautern hatte „Gigi“ die „Hosen heruntergelassen“, wie sich Landrat Hirschberger ausdrückte. Auf eilig im Landratsamt gedruckten Flugblättern informierte die Polizei noch in der Nacht die Sinti und Roma. „Wir haben von Zulier erfahren, daß er kein Geld zur Auszahlung hat. Wir bitten Sie daher, Kusel zu verlassen und auf Ihre gewohnten Plätze zurückzukehren.“ Doch bislang haben erst wenige Gespanne den Landkreis verlassen, weil unter ihnen ein mit Schablone geschrieber Brief von Zulier kursiert, in dem signalisiert wird, daß es doch noch Geld geben werde: „Das Geld ist da und kommt. Unsere Ältesten haben sich persönlich davon überzeugt.“ Im Lagezentrum berichteten dagegen Sinti aus Hamburg, daß „Gigi“ die ganze Kohle längst ins „östliche Ausland“ transferiert und dort investiert habe. Die Hamburger wollen die Sippen jetzt davon überzeugen, daß man gemeinsam juristisch gegen Zulier vorgehen müsse. Doch noch immer glauben viele Sippenältesten, daß man die ganze Angelegenheit „intern“ bereinigen könne.

Die Sinti aus den Niederlanden und aus Norddeutschland sind „bitter enttäuscht“ von ihrem „Bruder“ Zulier, dem sie — per Handschlag — Zigtausende von Mark anvertraut hatten. Und sie sind sauer auf die Kriminalpolizei in Kaiserslautern. „Die haben den ,Gigi‘ doch versteckt“, sagt ein junger Sinto mit breitkrempigem Hut. Tatsächlich weiß die Polizei, wo Zulier steckt. Doch man könne den Mann doch nicht einfach an die aufgebrachten Roma und Sinti ausliefern, sagt Manfred Drumm, Pressereferent des Landrates.

Eine „schillernde Figur“ sei der „Gigi“ Zulier, meint Drumm. Der Mann sei mit einem roten Ferrari mit einem brillantenbesetzten Steuerknüppel durch den Landkreis gedüst und habe innerhalb von Monatsfrist diverse Unternehmen mit geliehenen Geldern aus dem Boden gestampft. Bereits Ende Juli hatte „Gigi“ die Sippen zu einem Auszahlungstermin nach Kusel bestellt und die in Aussicht gestellten Zinsen tatsächlich ausgeschüttet.

In Kusel selbst reagiert die Bevölkerung überwiegend gelassen auf die Anwesenheit der Sinti und Roma. Im Cafe an der Hauptstraße hat man sogar Verständnis: „Ich wäre auch hierher gefahren, um mein Geld wiederzukriegen“, sagt die Bedienung. Nur die „Republikaner“ haben versucht, aus der Anwesenheit der „Zigeuner“ politisches Kapital zu schlagen: „Kusel — der größte Zigeuner- Campingplatz in Deutschland.“ Gerüchte, wonach einzelne Sinti- oder Roma-Gruppen bereits Luxusfahrzeuge aus den Autohäusern von „Gigi“ konfisziert hätten, konnte der Landrat nicht bestätigen. Hirschberger: „Wir hoffen dennoch inständig, daß die Sippen jetzt wieder abziehen, denn auf Dauer kann dieser kleine Landkreis diese Ansammlung von Fremden nicht nur finanziell nicht verkraften.“ Auf einem Autobahnparkplatz kurz vor Kusel steht bereits ein überdimensionales Schild aus Pappe: „Zigeuner klauen wie die Raben — Zigeuner, haut ab!“