: Flugzeuge werden "leiser", aber immer mehr
■ Lärmphysikalisches Gutachten: Fuhlsbüttel-Anwohner werden in Zukunft trotz Zunahme der Starts und Landungen weniger unter Fluglärm leiden / Bürgerinitiative kritisiert Meßmethoden...
: Fuhlsbüttel-Anwohner werden in Zukunft trotz Zunahme der Starts und Landungen weniger unter Fluglärm leiden / Bürgerinitiative kritisiert Meßmethoden / Umweltsenator für besseres Schutzgesetz
Immer mehr Boeings und Airbusse dröhnen über die Köpfe der Hamburger. Doch trotz der erwarteten Zunahme der Flugbewegungen rund um Fuhlsbüttel von heute 142000 auf 171000 um die Jahrhundertwende sollen die Hörnerven der Airport-Anwohner in Zukunft weniger strapaziert werden. Zu diesem Schluß kommt jedenfalls ein im Auftrag der Umweltbehörde erstelltes lärmphysikalisches Gutachten über die Dauer-Schallbelastung in der Flughafen-Umgebung. Unerwähnt blieb: Durch die Zunahme der Starts und Landungen wächst auch die Gefahr von Flugzeug-Katastrophen wie der Absturz einer Transportmaschine in Amsterdam am Sonntag abend.
Grund für die prognostizierte Lärmminderung: Immer mehr sogenannte Flüsterjets ersetzen die lauten und überlauten Maschinen, deren röhrende Triebwerke die Gehörgänge der Langenhorner und Alsterdorfer peinigen. Gehörte vor drei Jahren nur gut jedes dritte in Hamburg landende Flugzeug zur Kategorie der „Flüsterer“, so sollen nach Angaben der Gutachter des Göttinger Max-Planck-Instituts im Jahr 2000 bereits 96,2 Prozent aller Maschinen zu dem vergleichsweise leisen Typus zählen. Die lautesten Kracher werden derweil allmählich aus dem Verkehr gezogen. So fliegt die Lufthansa seit dieser Woche Fuhlsbüttel nicht mehr mit den veralteten Boeings 727 an, die bei Naturschützern als Lärmterroristen verschrien sind.
Für Hans Schwarz von der Bürgerinitiative gegen Fluglärm (BIG) ist das 250000 Mark teure Zahlenwerk kein Grund, „das Ohropax aus der Muschel zu nehmen“. „Die Spitzenbelastungen, die hier gar nicht gemessen wurden, belasten die Anwohner am meisten“, klagt der Initiativen-Sprecher: „Was helfen uns acht leise Jets, wenn zwei lärmende Kracher dazwischen starten“. Außerdem basiere das Gutachten nur auf den Werten der staatlichen Schall-Meßstellen, die oft weitab der betroffenen Wohngebiete stehen würden. Schallmessungen auf zwei Langhorner Wohngrundstücken, die die BIG unlängst zusammen mit der Umweltbehörde durchgeführt hat, blieben hingegen in der Analyse unberücksichtigt. Sie hatten eine weitaus höhere Lärmbelastung der Anwohner ergeben.
Durch die Verringerung des durchschnittlichen Lärmpegels verkleinern sich auch die Lärmschutzzonen rund um den Flughafen, deren Bewohner von der Stadt Zuschüsse für Lärmschutzmaßnahmen und im Einzelfall sogar Absiedlungs-
1beihilfen erhalten können. Umweltsenator Fritz Vahrenholt will deshalb den Senat auffordern, im Bundesrat für eine Verschärfung des 20 Jahre alten Fluglärmschutzgesetzes zu streiten. Vahrenholt wörtlich: „Wir brauchen schärfere Grenz-
1werte, weil sonst bald ein Anwohner nur noch dann geschützt ist, wenn sein Haus direkt auf dem Rollfeld steht.“ Außerdem solle niemand aus dem Gutachten „die Forderung ableiten, man könne nun näher an den Flughafen heran-
1bauen“. Zukünftig will der Umweltsenator auch die Fluggäste zur Kasse bitten, um weitere Lärmschutz- und Absiedlungsmaßnahmen bezahlen zu können. Im Gespräch: eine Krachsteuer von zwei Mark pro Person. Marco Carini
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