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Reinickendorf und Burkina Faso

■ Europäische Konferenz über »Städte und Entwicklung« wird vom 14. bis 18.10.1992 in Berlin stattfinden Wenige Vor-Ort-Aktivitäten: Geplantes Straßenfest wurde aus organisatorischen Gründen abgesagt

Was haben Stuttgart mit Bombay, Amsterdam mit Managua, Oldenburg mit Lesotho, Reinickendorf mit Burkina Faso oder Kreuzberg mit San Rafael del Sur zu tun? Alle diese Städte und Bezirke unterhalten Partnerschaften und versuchen, das Konzept der »Kommunalen Entwicklungszusammenarbeit« mit Leben zu erfüllen.

Aktive Teilnahme der Bevölkerung ist Hauptthema

In der Bundesrepublik gibt es mittlerweile über 500 lokale Initiativen beziehungsweise Gemeinden, die entwicklungspolitische Aktivitäten unternehmen. Nur selten jedoch werden die an Thesenpapiere der Solidaritätsbewegung angelehnten Ansprüche umgesetzt. Meist bleibt es bei lokalen Entwicklungshilfe-Aktivitäten ohne Bezug auf die hiesige Lokalpolitik. Im Unterschied zu anderen entwicklungspolitischen Ansätzen beziehen diese Initiativen sehr stark die Bevölkerung mit ein. Folgerichtig ist »aktive Teilhabe der Bevölkerung an globalen Wandlungsprozessen« auch das Hauptthema der europäischen Konferenz über »Städte und Entwicklung«, die vom 14. bis 18. Oktober 1992 in Berlin stattfinden wird.

Künftige Formen der Zusammenarbeit

Organisiert wird die Konferenz von der Anfang der achtziger Jahre gegründeten europaweiten Organisation »Towns and Development«, die entwicklungspolitische Initiativen von Städten und Gemeinden fördert. Die Konferenz in Berlin soll auswerten und die Organisation stärken. Mitfinanziert von Senat und Bundesregierung, ausgestattet mit der Schirmherrschaft von Rita Süssmuth, werden sich rund 400 TeilnehmerInnen aus allen europäischen und vielen »Dritte-Welt«- Ländern über künftige Formen der Zusammenarbeit unterhalten. Erklärtes Ziel ist die Kooperation der Städte und Gemeinden mit Nichtregierungsorganisationen und Solidaritätsgruppen.

Viele Organisationen, aber kaum kommunaler Bezug

Aus Berlin werden freilich nur wenige Solidaritätskomitees dabeisein. Dafür sorgt nicht nur eine gewisse Abneigung, die viele Gruppen traditionell gegen die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen hegen. Auch der Teilnahmebeitrag von 600 DM dürfte für ausreichende Abschreckung gesorgt haben. Mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, dem ASA-Programm der Carl-Duisberg-Gesellschaft, dem Verband Deutscher Schulgeographen und der Welthungerhilfe nehmen deshalb vor allem Organisationen teil, die kaum einen kommunalen Bezug haben.

Wenig Vor-Ort-Aktivitäten, viel Kongreßtourismus

Deshalb ist es wenig verwunderlich, daß die Organisation paralleler Vor-Ort-Aktivitäten, bei denen die Ideen der Konferenz auch an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden sollten, sich sehr zähe gestaltete. Ein zunächst geplantes Straßenfest mußte aus organisatorischen Gründen gekippt werden. Bisher ist lediglich ein Seminar für KommunalpolitikerInnen am 4. November gesichert, in dem über die Möglichkeiten der Bezirke informiert werden soll, eigene Aktivitäten zu entwickeln.

In der Einladung zur Konferenz heißt es, diese werde »ein Wendepunkt in der Zusammenarbeit« sein, »um eine gerechtere und friedliche Welt zu verwirklichen«. Aus Berliner Sicht scheint bislang nur sicher, daß die Konferenz ein weiterer Höhepunkt des internationalen Kongreßtourismus sein wird. Aber vielleicht können Berliner Gruppen und Institutionen tatsächlich von anderen etwas lernen und Anregungen gewinnen — darin liegt die Chance.

Während mehrerer Konferenztage können Gruppen auf einem »Markt der Möglichkeiten« im Haus am Köllnischen Park Info- Stände aufbauen. Bernd Pickert

Anmeldung und Information: Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit, Tel.: 7838379.

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