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Schweizer Schlupfloch für Libyen

Eine Briefkastenfirma in Genf beschafft Libyen Embargogüter — von Militärmaterial bis zum gepanzerten Mercedes-Transporter/ Belgische und britische Firmen verwickelt  ■ Aus Genf Thomas Scheuer

Wegen mutmaßlicher Verwicklung libyscher Agenten in die Lockerbie-Affäre verhängte der UNO-Sicherheitsrat im März dieses Jahres gegen Libyen ein allgemeines Handelsembargo. Schon 1986, nach Terroranschlägen auf die Flughäfen Rom und Wien, hatten die USA und die EG ein Waffenembargo gegen Libyen verhängt, das ihrer Ansicht nach den Terrorismus unterstützte. Andere Länder, wie die Schweiz, hatten Waffenexporte nach Libyen schon früher verboten. Doch diese Exportbeschränkungen werden von kleinen Beschaffungsfirmen unterlaufen.

Eine von ihnen ist die Itran Overseas S. A. des Mr. Younes Omrani. Die unterhält ihren Briefkasten just am Sitz des europäischen UNO-Hauptquartiers: in der Rue Céard in Genf.

Der belgische Elektrokonzern Alcatel etwa bot den Libyern im Februar dieses Jahres für 120 Millionen belgische Francs Fernmeldetechnik inklusive six weeks local training — free of charge an. Über die militärische Verwendung kann für Alcatel kein Zweifel bestanden haben. Das schriftliche Angebot ist nämlich direkt an das Directorate of Military Procurement, Swani Road, Tripoli gerichtet. Relaisstation für den Deal war der Briefkasten der Itran Overseas in Genf.

Das militärische Beschaffungsamt in Tripolis war auch Adressat, als der schweizerische Rüstungskonzern Oerlikon-Bührle 1987 trotz Berner Verbots der libyschen Luftwaffe schriftlich 30-mm-Munition für die Bordkanonen ihrer französischen Defa-Kampfflugzeuge anbot. Um die Herkunft des Schießkrams zu verschleiern, wollte Oerlikon-Bührle „die Produktion dieser Munition in ein anderes Land verlegen“. Weiter heißt es, von den Transportkisten müsse der Bestimmungsort Tripolis/Libyen entfernt werden; auch dürfe die Ware nicht von einem europäischen Hafen verschifft werden. Ein Sprecher von Oerlikon- Bührle bestätigt auf Anfrage die fraglichen Geschäfte, behauptet aber, der Konzern habe damals nur als Zwischenhändler fungiert. Die schweizerischen Behörden haben inzwischen eine Untersuchung eingeleitet.

Auch britische Exporteure fanden offenbar Lieferkanäle über die Alpenrepublik in den Wüstenstaat. Im August 1991 etwa bot die britische Firma Farnell Electronic Components Ltd. der schweizerischen Enteco AG jede Menge westliche Computer- und Elektronikartikel an, neben Produkten der Firmen Leica und Siemens auch US-amerikanische High-Tech- Ware, die wegen ihrer strategischen Bedeutung auf der Cocom- Liste steht. Die Enteco reichte das Angebot wiederum an die Itran Overseas in Genf weiter. Anläßlich einer telefonischen Anfrage bei der Tirax AG im schweizerischen Urdorf über Schießsimulatoren im August dieses Jahres gab Mister Omrani allerdings vorsorglich vor, die Ware sei „für den libanesischen Markt“ bestimmt.

Ende August dieses Jahres — das allgemeine UNO-Handelsembargo war längst in Kraft — bemühte sich Omrani um Spezialfahrzeuge der Marke Mercedes- Benz. Beim Genfer Mercedes- Vertragshändler Larag bestellte er einen Transporter vom Typ 711 D — gepanzert und mit zusätzlicher Spezialkabine zum Transport von Wertgegenständen. Omranis Kunde für das Gefährt: die Sahara- Bank in Tripolis.

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