Das Inferno von Amsterdam

■ Der Absturz des israelischen Frachtflugzeugs kostete mehr als 200 Menschen das Leben

Amsterdam (afp/taz) — Die Hypermobilität und die unaufhaltsame Zunahme des Flugverkehrs fordern ihren Tribut. Sicher ist bislang, daß bei dem Absturz der El-AL-Boeing 747-200C in jedem Fall zwölf Menschen, darunter die vier Besatzungsmitglieder, den Tod fanden. Der Pilot hatte dem Tower des Flughafens Amsterdam-Schiphol kurz vor dem Absturz am Sonntag abend den Ausfall zweier Triebwerke gemeldet. Er hatte versucht, auf der nächstgelegenen runway notzulanden, mußte dafür aber über das Wohngebiet fliegen. Ein Bombenanschlag gilt als ausgeschlossen.

Am Montag nachmittag wurden immer noch 209 Bewohner der beiden Häusertrakte in dem südöstlich von Amsterdam gelegenen Bijlmermeer vermißt. 19 Verletzte verbrachten die Nacht in Amsterdamer Krankenhäusern. Schätzungen zufolge befanden sich zur Zeit des Unfalls in den 80 Wohnungen des Blocks mindestens 150 Menschen. Nach Angaben der Amsterdamer Feuerwehr wurden bei den Sucharbeiten bis Montag etwa ein Dutzend Tote entdeckt. Es gebe jedoch kaum Hoffnung, in den Trümmern noch Überlebende zu finden.

Die Transportmaschine war auf ein neunstöckiges Hochhaus gestürzt und hatte dieses innerhalb von Sekunden in ein flammendes Inferno verwandelt. Dabei wurden sechs bis sieben Stockwerke auf einer Breite von 30 Metern völlig zerstört. Einem El-Al-Sprecher zufolge hatte die Maschine, die rund zehn Minuten nach dem Start abstürzte, rund 84.000 Liter Treibstoff im Tank. Wie der Leiter des Kontrollturms, Theo Croon, mitteilte, funkte der Pilot der Maschine wenige Minuten nach dem Start SOS und meldete, zwei Triebwerke seien in Brand geraten. Daraufhin habe der Kontrollturm die Piste06 für eine Notlandung angewiesen, die über freies Feld angeflogen wird. Der Pilot habe aber darauf bestanden, die nächstgelegene Piste 27 zu nehmen. Der Anflug auf diese Piste zwang den Piloten, eine Runde über der Vorstadtsiedlung, eines vornehmlich von Einwanderern bewohnten Gebiets mit Sozialwohnungen, zu drehen, um die Flughöhe zu verringern. Währenddessen verlor die Besatzung offenbar endgültig die Kontrolle über die Maschine.

Die genaue Unfallursache ist noch unklar, der Flugschreiber wurde noch nicht gefunden. Nach Angaben eines Polizisten wurden zwei Triebwerke der Boeing747 in der Umgebung von Naardermeer, rund zehn Kilometer südlich von Bijlmermeer, gefunden.

Der israelische Rundfunk unterbrach nach der Katastrophe sein normales Programm und brachte Sondersendungen und klassische Musik. Zwei israelische Untersuchungskommissionen, eine der Regierung und eine der Fluggesellschaft El Al, trafen gestern in Amsterdam ein.

Wie ein Sprecher des Herstellers Boeing in Washington mitteilte, hatte die Maschine insgesamt 9.873 Landungen und 44.736 Flugstunden bis Ende Juni auf dem Buckel. Das sei für ein 1979 gebautes Frachtflugzeug „absolut normal“.

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