»Zwei Mark für das Kurzparken sind lächerlich«

■ Rolf Monheim, Verkehrsexperte aus Bayreuth, zur Berliner Verkehrspolitik

taz: Herr Monheim, wie steht Berlin aus der Sicht eines Verkehrsexperten im Vergleich zu anderen Städten da?

Rolf Monheim: Berlin hat lange Zeit große Chancen gehabt, eine umweltverträgliche Verkehrspolitik zu machen. Aus dem einfachen Grund, daß das Hauptproblem anderer Städte — der aus dem Umland hineinströmende Verkehr — durch die Mauer und Insellage einfach wegfiel. Statt diesen Vorteil zu nutzen, hat Berlin aber in einer Art psychischen Ersatzhandlung innerhalb des Stadtgebietes eine ganz einseitige autoorientierte Verkehrsplanung betrieben. Sie billigt dem Autofahrer einen ganz ungewöhnlich hohen Stellenwert zu. Dieser Standard der sechziger Jahre darf keinesfalls weiter die Verkehrspolitik bestimmen.

Können Sie Beispiele nennen?

Etwa beim Parken, einem der wichtigsten Regulationsmechanismen von Verkehr in Innenstädten. Es gibt keine andere deutsche Großstadt, in der das Parken im Straßenraum so großzügig behandelt wird. Hier ist Berlin — trotz der ersten Schritte zu Kurzparkzonen — immer noch einsame Spitze.

Ist mit Kurzparkzonen der Stadtverkehr zu dämpfen?

Das ist auf jeden Fall eine richtige Maßnahme. Sie reicht aber nicht aus. In diesem Zusammenhang muß die Frage der Gebührenhöhe gestellt werden. Da man in Berlin bei null anfängt, ist es heikel, möglichst im ersten Anlauf für Gebiete mit Spitzennachfrage die gesetzlich möglichen fünf Mark pro Stunde zu verlangen. Aber für den Bereich am Ku'damm hielte ich es für unabdingbar.

Was ist von Berlins Weg zu halten, beim Kurzparken zwei Mark pro Stunde zu verlangen, bei einer Höchstdauer von drei Stunden?

Das ist ein typisches Beispiel, wie mit Bleikugeln an den Beinen an dieses Thema herangegangen wird. Kurzparken heißt in der Regel maximal zwei Stunden, in den Brennpunkten meistens eine Stunde, im Umfeld von Bahnhöfen meistens sogar nur eine halbe Stunde. Wenn Berlin nun für eine Dauer von drei Stunden sechs Mark verlangt, macht es sich lächerlich. Zwei Mark pro Stunde ist ein Preisniveau für Kleinstädte.

Sie haben festgestellt, daß das illegale Parken an Parkuhren schon zur Regel geworden ist.

Es ist ein geduldeter Mißbrauch zu beobachten. Ich habe in letzter Zeit ganz systematisch Erhebungen dazu gemacht, die erschreckende Ergebnisse aufzeigen. Etwa in München: Am Hauptbahnhof gilt dort die 30-Minuten- Höchstparkdauer, doch ganze 14 Prozent der Parker halten sich an diese Vorgabe. Über die Hälfte stehen mehr als eine Stunde. Dabei wurde in unserem Untersuchungszeitraum in diesen Zonen sehr scharf überwacht. Das heißt, die Dinge sind bekannt, werden aber von der Stadt hingenommen.

Man drückt also beide Augen für eine autogerechte Politik zu...

So scheint es. Aber: Autogerecht hieße für mich, daß ich für die notwendigen Fahrten darauf vertrauen kann, im Zielgebiet einen Stellplatz zu erhalten. Ein Chaos auf dem Rücken der Autofahrer — das ist nicht hinnehmbar und bedeutet einen Mißbrauch der Stadt und ihrer Funktionsfähigkeit.

In Berlin soll der Innenstadtring geschlossen werden. Trotzdem redet die Koalition davon, im Innenbereich einen Anteil von 80 Prozent öffentlichem Nahverkehr zu 20 Prozent privatem Kfz-Verkehr zu erreichen.

Das ist natürlich absolut illusorisch. Die Schließung von Lücken führt zwangsläufig zu einer kräftigen Zunahme des Autoverkehrs. In München nutzen nur 64 Prozent die öffentlichen Verkehrsmittel, um in die Innenstadt zu kommen, dabei hat München das am besten ausgebaute öffentliche Nahverkehrsnetz der Bundesrepublik. Um eine möglichst hohe Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig. So sollte bei Neubauten nicht mehr die gesetzlich mögliche Höchstzahl von Stellpätzen gebaut werden. Mit den so eingesparten Summen sollten die Betriebe vielmehr die forcierte Ausgabe von Umwelttickets an ihre Mitarbeiter betreiben. Interview: Severin Weiland

Rolf Monheim ist Professor für Angewandte Stadtgeographie an der Universität Bayreuth

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