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KOFI AWOONOR

In einer autobiographischen Skizze bezeichnet sich Kofi Awoonor als „glühenden afrikanischen Nationalisten“. Sein Background — geboren in einem kleinen Dorf in Ghana, die Mutter Analphabetin, der Vater Schneider — sei typisch und gehöre „zu Afrika wie Dürren, Mißernten, Heuschrecken, dumme Stammeskriege, der IWF und die Schulden, die auf dem ganzen Kontinent lasten“. Er durchläuft die Missionsschule, kommt auf ein britisches College, studiert Literatur an der Universität von Accra. Als Ghana 1957 unabhängig wird, ist Kofi Awoonor 22 Jahre alt, ein aktiver Anhänger Kwame Nkrumahs und der jüngste unter den führenden Intellektuellen des Landes. Als Nkrumah 1966 stürzt, geht Kofi Awoonor nach London und von dort in die USA. Ab 1968 lebt er in Spanish-Harlem von New York, unterrichtet an der Universität von Stony Brook und entwirft dort eines der ersten „Black Studies“-Programme des Landes. Als er 1975 nach Ghana zurückkehrt, wird er, dem Regime unliebsam, verhaftet und zehn Monate in Einzelhaft gehalten. Das „Sklavenhaus in Usher“, von Holländern im 17.Jahrhundert gebaut, ist das Gefängnis, in dem er seinen Überlebenswillen immer wieder betont: „meinen Tod zu verschieben bis/ zum Morgen nach der Freiheit“. Nach seiner Freilassung nimmt er eine Literaturprofessur in Accra an. Ende der achtziger Jahre ist er Botschafter Ghanas in Kuba. 1991 wird er Botschafter seines Landes bei den Vereinten Nationen in New York.

Vielleicht erlaubt gerade das Weitgereiste und das Kosmopolitische Kofi Awoonor, sich als afrikanischer Nationalist zu fühlen, der immer wieder in sein ländliches Dorf zurückkehrt und die überlieferte mündliche Poesie seines Volkes als früheste und prägende Quelle seiner Inspiration bezeichnet. Oft verwendet er Bilder aus afrikanischen Zeremonien und mischt das englische auf mit aus seiner Muttersprache Ewe wortwörtlich übersetzten Wendungen und Sprüchen. In seiner Verpflichtung gegenüber oralen Traditionen fühlt er sich dem Südafrikaner Masozi Kunene verwandt, häufig ruft er in seinen Gedichten auch andere afrikanische Schriftsteller an wie Ngugi (Wa Thiong'o), Chinua (Achebe) oder La Guma, mit denen er sich im Kampf gegen die wirtschaftliche Ausbeutung des afrikanischen Kontinents und gegen „die Übermacht eines westlich-christlichen Monologs voll rassistischer Überlegenheit“ solidarisch fühlt. Awoonor gilt heute in Westafrika als einer der wichtigsten Autoren seiner Generation. 1989 hat er den Dillons Commenwealth Poetry Prize erhalten. In Europa haben ihn zwei Auftritte — 1981 und 1991 — bei dem von Martin Moij geleiteten „Poetry International“ in Rotterdam bekannt gemacht. Joachim Satorius

Bibliographischer Kurzhinweis: Unter dem Titel „Until the Morning After“ hat Greenfield Review Press, N.Y. 1986, die gesammelten Gedichte (1963 bis 1985) veröffentlicht. Neben seiner eigenen Lyrik hat Awoonor eine grundlegende Studie über die traditionelle Ewe-Dichtung „Guardians of the Sacred Word“ (NOK Publications, N.Y. 1974) und über Aspekte afrikanischer Kultur „The Breast of the Earth“ (Doubleday, N.Y. 1972) publiziert. Alle Gedichte auf dieser Seite sind deutsche Erstveröffentlichungen. Sie wurden von Cornelia C. Walter ins Deutsche übertragen.

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