: Den Marzahnern sollen alle Schulen offenstehen
■ Bezirk ist von einer optimalen Schulversorgung weit entfernt/ Vier neue Komplexe bis 1994 geplant/ Umstritten sind Standorte und Gestaltung der Projekte
Marzahn. Marzahn soll nicht nur ein attraktives Wohngebiet werden, sondern auch eine vorbildliche Schulversorgung erhalten, die den Bedürfnissen der Jugendlichen in dem monotonen Neubaugebiet Rechnung trägt. Das ist der Wunsch der Plattform Marzahn, in der mehrere Stadtplanungsbüros in Zusammenarbeit mit Senat und Bezirksamt und in Diskussion mit den BewohnerInnen Konzepte für die Entwicklung des Stadtteils entwerfen.
Den von der Plattform angeregten Entwurf eines Schulstandortnetzes, welches langfristig eine optimale schulische Versorgung des Stadtteils gewährleisten soll, stellte Rainer Bohne von der Gruppe Planwerk am Mittwoch abend vor. »Wir sind ausgegangen von der Bevölkerungsstruktur Marzahns, in der der Anteil der SchülerInnen gemessen an der Gesamtzahl der BewohnerInnen doppelt so hoch ist wie im Berliner Durchschnitt, und haben sie bis zum Jahr 2010 hochgerechnet.« In den nächsten Jahren kämen vor allem auf die weiterführenden Schulen die größten Belastungen zu, während sich die Situation im Grundschulbereich bis Mitte der neunziger Jahre entspannen dürfte. »Ein Schulnetz muß sich an den Grundschulen orientieren«, sagt Bohne. Hierbei seien vor allem kurze und möglichst sichere Schulwege sowie räumliche und funktionale Zusammenhänge, Verkehrsachsen und Bahnlinien wichtig. Der Bedarf an Oberschulstandorten sei noch vom Wahlverhalten der Eltern und Jugendlichen abhängig. Es sollten aber in jedem Teilgebiet möglichst alle Schultypen angeboten werden. Der Entwurf ist ab Montag im Büro Plattform Marzahn, Marzahner Promenade 55, zu erhalten.
Noch ist der Bezirk weit von diesem Ziel entfernt. »Die Schulen haben zwar die Umstellung auf das Westberliner Schulrecht in kurzer Zeit geschafft und bieten einen allen westdeutschen Standards entsprechenden Unterricht an«, sagt Bildungsstadtrat Wolfgang Unger (SPD). Doch was die räumliche Ausstattung angehe, bestünden Defizite. Gemessen am Musterraumkonzept des Senats seien sämtliche Schulen überbelegt. Fast 400 Jugendliche müssen zur Zeit bis Prenzlauer Berg oder nach Lichtenberg zur Schule fahren, vor einem Jahr waren es 1.000. An 14 Standorten werden Schulcontainer aufgestellt, oft genug mitten in die von den Jugendlichen angelegten und gepflegten Schulgärten hinein.
Altlasten machen die Planung zum Vabanque-Spiel
Um Abhilfe zu schaffen, sind bis 1994 mehrere Schulneubauten geplant. Am Ketschendorfer Weg soll ein Gymnasium mit Sportanlagen und eine Behindertenschule, in der Golliner Straße eine Gesamtschule und am Glambecker Ring ein Gymnasium entstehen.
Vor allem der letzte Standort, der am Fuß des Ahrensfelder Berges, einer ehemaligen Müllkippe, liegt, ist umstritten. Gutachten wiesen den Standort zwar als unbedenklich aus. »Das mag im Moment auch so sein, aber noch ist die Müllkippe nicht trocken. Niemand weiß, was sich möglicherweise in fünf oder zehn Jahren an Emissionen in die Luft oder an Belastungen für das Grundwasser ergibt«, kritisierte ein Mitarbeiter des Landschaftsplanungsbüros. Auch sei die zu bebauende Wiese ein als Biotop im Sinne des Artenschutzes hochsensibles Gelände. Ein Anwohner beklagte, durch die Schule würde der reizvolle Blick auf Ahrensfelde versperrt und ein Riegel zwischen das anliegende Wohngebiet und das Naherholungsgebiet an der Wuhle gesetzt.
In den Diskussionen müsse es neben der Quantität auch um Qualität gehen, mahnte die sozialplanerische Beraterin der Plattform, Rotraud Weeber. »Schulen sind nicht nur Lernfabriken, sondern erfüllen für das soziale Leben der Jugendlichen wie für die Stadtteilkultur eine wichtige Funktion.« Wo die Aulen so stiefmütterlich behandelt würden, wie es in den vorgestellten Entwürfen geschehe, seien Orchester, Chöre oder Theater-AGs unmöglich. cor
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