: Ein kroatisch-serbischer Deal?
■ Der Fall der bosnischen Stadt Bosanski Brod an serbische Truppen löste erneut Spekulationen über eine serbisch-kroatische Absprache aus, die eine Aufteilung Bosnien-Herzegowinas vorsieht
Budapest (taz) - Spekulationen zum Fall der bosnischen Großstadt Bosanski Brod an die serbischen Truppen durchzogen gestern den ex-jugoslawischen Blätterwald. Keine kritische Zeitung, die nicht gefragt hätte: Gab es in Wirklichkeit nicht einen Deal zwischen der kroatischen und serbischen Regierung, Bosanski Brod aufzugeben, um dafür das Hinterland von Dubrovnik an der Adria zu bekommen? Braucht Kroatien das Umland von Dubrovnik, die sogenannte Prevlaka, um seine Macht entlang der dalmatinischen Küste zu festigen, so ist das Savetal um Bosanski Brod für die serbischen Truppen strategisch von enormer Bedeutung. Ohne diesen Korridor kann Belgrad den Nachschubweg nach Zentralbosnien im Winter nicht aufrechterhalten.
Dies gilt erst recht, sollte die UNO ein generelles Flugverbot über Bosnien verhängen. Eine Maßnahme, die nach Ansicht des Belgrader Ministerpräsidenten Milan Panic in den nächsten Tagen eh beschlossen und durchgesetzt wird. Panic: „Wir können diese Maßnahme der UNO ebensowenig verhindern wie vor Monaten den generellen Handelsboykott gegenüber unserem Land.“ Deshalb sein Vorschlag: Die Weltorganisation sollte Serbien erlauben, daß es einen Landkorridor für „humanitäre Zwecke“ für die serbische Bevölkerung in Zentralbosnien errichten dürfe, ein Landweg, wie er auch von der dalmatinischen Küste nach Sarajevo im Gespräch sei. Mit anderen Worten, Panic möchte einen serbisch kontrollierten Korridor entlang des Saveflußes bei Bosanski Brod. Sein serbischer Statthalter in Bosnien, Radovan Karadzic, wurde kürzlich noch deutlicher: „Wenn wir erst einmal einen Landweg von Serbien in unsere serbische Republik (in Bosnien) haben, dann kann uns niemand mehr besiegen.“
Ist nun Karadzic diesem „Sieg“ mit Hilfe Kroatiens näher gekommen? Glaubt man der slowenischen und mazedonischen Presse vom Donnerstag, so sprechen mehrere Gründe für diese These. Zum einen seien in den letzten Wochen die kroatischen Truppen in Nordbosnien in einem Ausmaß verstärkt worden, wie es seit Ausbruch des Krieges nicht der Fall gewesen sei. Über den Grenzfluß Save sei von Slavonski nach Bosanski Brod pausenlos Nachschub gerollt, so will es zumindest die Ljubljaner Regierungszeitung Delo wissen. Von daher hätten die serbischen Truppen die „Festung Bosanski Brod“ gar nicht über Nacht einnehmen können, wie dies nun geschehen sei. Selbst die kroatische Slobodna Dalmacija wundert sich, wie der Rückzug der kroatisch-muslimischen Verteidigungsverbände beim Anrücken der Serben so reibungslos und schnell vollzogen worden sei. Es sei der Eindruck entstanden, das Kampffeld sei „fast freiwillig“ geräumt worden. Vorwürfe, die sich mit zahlreichen Zeugenaussagen von Flüchtlingen sowie von kroatischen und bosnischen Fernsehreportern decken. Aufsehen erregte auch eine Erklärung des „Sozialdemokratischen Bundes der Reformer“ Bosniens mit dem namhaften Politologieprofessor Nenad Kecmanovic an der Spitze. In ihr heißt es, der Partei lägen Geheimprotokolle vor, nach denen der kroatische Präsident Franjo Tudjman mit Milan Panic und dem Präsidenten Restjugoslawiens, Dobrica Cosic, nur zwei Tage vor dem Fall von Bosanski Brod, einen Kuhhandel zur „ethnischen Bereinigung umstrittener Gebiete in Ex- Jugoslawien“ unterzeichnet hätten. Ein Punkt unter anderem: Prevlaka zum Tausch für Slavonski Brod. Dieser Erklärung kommt insoweit Bedeutung zu, da sich hinter dem Sozialdemokratischen Bund der Reformer der ehemals reformkommunistische Flügel der jugoslawischen KP unter dem legendären Ministerpräsidenten Ante Markovic verbirgt. Markovic wie Kecmanovic wurden vor wenigen Jahren in Jugoslawien verehrt wie seinerzeit Gorbatschow in der Sowjetunion. Obwohl heute von der politischen Bühne verschwunden, werden beiden beste Kenntnisse interner Machtstrukturen nachgesagt.
Für Insider sind solche Enthüllungen wiederum nicht neu. Schon lange vor Ausbruch des Krieges in Bosnien gab es im Juni 1991 zwischen Tudjman und seinem serbischen Amtskollegen Slobodan Milosevic Geheimverhandlungen, in denen es um die ethnische Aufteilung Bosniens ging. Damals sagte Tudjman: „Eine Aufteilung Bosniens zwischen Kroatien und Serbien finde ich die leichteste Möglichkeit, den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien friedlich beizulegen.“ Er fügte jedoch hinzu, daß er an die Realisierbarkeit dieses Planes wegen der serbischen Expansionspolitik nicht glaube. Roland Hofwiler
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