Streik palästinensischer Häftlinge: „Rettet uns vor dem langsamen Tod!“

■ Palästinenserführung und Israelis um Beendigung des Streiks vor Wiederaufnahme der Nahostgespräche bemüht

Tel Aviv (taz) — Die israelischen Behörden und die palästinensische Führung in den besetzten Gebieten ist um eine Beendigung des Hungerstreiks palästinensischer Gefangener bemüht. Rund 5.000 sogenannte „Sicherheitsgefangene“ verweigern nun schon seit 12 Tagen die Nahrungsaufnahme, um gegen die unmenschlichen Haftbedingungen in den israelischen Gefängnissen zu protestieren und die Serie von Solidaritätsbekundungen durch Kundgebungen, Demonstrationen und Streiks in der Westbank und im Gazastreifen reißt nicht ab. Dies sind schlechte Ausgangsbedingungen für die Wiederaufnahme der bilateralen Verhandlungen zwischen Israel, den Palästinensern und den arabischen Staaten, die für den 21.Oktober geplant ist.

Die israelische Regierung und die politische Führung der Palästinenser in den besetzten Gebieten hat allerdings unterschiedliche Motive, wenn sie nun versuchen, diese „störende Ablenkung von der Hauptsache“, den Autonomieverhandlungen nämlich, zu beseitigen. Zu einem Zeitpunkt, an dem Israel erklärt, daß die Intifada nun definitiv vorüber sei, kommt die gegenwärtige Eskalation der Solidaritätsdemonstrationen mit den Hungerstreikenden in den besetzten Gebieten und die große Zahl der von den israelischen Sicherheitskräften verletzten Demonstranten eher als ein deutlicher Beweis des Gegenteils. Israel ist keinesfalls daran interessiert, daß die Weltöffentlichkeit nun erneut auf die grobe Verletzung der Menschenrechte und die durch die Verhandlungen kaum veränderte Notlage der Palästinenser in den besetzten Gebieten aufmerksam gemacht wird.

Die palästinensische Führung steht hingegen unter dem wachsenden Druck ihrer Bevölkerung, etwas für die Erleichterung der schlimmen Bedingungen in den überfüllten israelischen Gefängnissen und Lagern zu tun. Wenn es nach den Bewohnern der besetzten Gebiete geht, soll sie die Befreiung der politischen Häftlinge zu einer der vorrangigen Bedingungen bei der Fortführung der bilateralen Verhandlungen in Washington machen. Einstweilen haben die israelischen Regierungsbehörden nur versprochen, den Klagen der streikenden Palästinenser über ihre Haftbedingungen nachzugehen. Es sollen „Untersuchungen“ gemacht werden, um womöglich Abhilfe zu schaffen, unter der Bedingung, daß der Hungerstreik vorher abgebrochen wird. In diesem Zusammenhang kam es zu Verhandlungen zwischen dem Berater des Polizeiministers für arabische Angelegenheiten, Feisal Husseini und anderen als „gemäßigt“ oder „kooperativ“ geltenden palästinensischen Persönlichkeiten. An den Schlichtungsversuchen beteiligen sich jetzt auch Beamte der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv sowie der ägyptische Botschafter Mohamed Bassiuni. Eine der wichtigsten Forderungen der palästinensischen Gefangenen betrifft die Einzelhaft unter besonders schweren Bedingungen, in der nahezu 100 palästinensische Gefangene seit langem gehalten werden. Einige befinden sich seit mehr als 2 Jahren in Einzelhaft und strengster Isolation.

Universitätsstudenten in den besetzten Gebieten haben einen Solidaritätshungerstreik erklärt, der seit Mittwoch eingehalten wird. Andere Teile der palästinensischen Bevölkerung beabsichtigen, heute ebenfalls Solidaritätsstreiks abzuhalten. Die „Hamas“- Bewegung hat zu einem Geschäftsstreik aufgerufen, der in Kraft bleibt, bis die Forderungen der Gefangenen erfüllt werden. Nach Angabe palästinensischer Quellen sollen bei den Zusammenstößen mit den israelischen Sicherheitskräften im Gazastreifen am Mittwoch 150 Palästinenser verletzt worden sein. Der israelische Militärsprecher gab bekannt, daß im Gazastreifen 25 Palästinenser verletzt wurden. In einem Aufruf der Gefangenen des Lagers „Ansar 3“ im Negev werden die Palästinenser aufgefordert, die Intifada zu verstärken, „um die Gefangenen vorm langsamen Tod zu retten“.

In der heutigen Ausgabe der Wochenzeitschrift der israelischen Armee „Bamachane“ erklärt Brigadegeneral Mosche Jaalon, Kommandant der israelischen Besatzungstruppen am Jordan-Westufer, daß „die Intifada tot“ ist. „Die Intifada ist tot, weil sich die Einsatzmethoden der israelischen Streitkräfte geändert haben“, erklärte der General in einem Interview. Er schilderte die Lage und das Leben in den besetzten Gebieten jetzt als normal, „dank israelischer Hilfe“. Amos Wollin